Krankenhausbett

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Medizin und Gesundheit

Viele Tote durch Behandlungsfehler

Zu viele Todesfälle durch Behandlungsfehler und Infektionen im Krankenhaus

Die Studienlage ist leider eindeutig

Wir wollen niemanden ängstigen. Aber Ihre Sicherheit ist uns wichtig. Und dieses zu wenig diskutierte Thema muss viel stärker in das Bewusstsein aller Beteiligten dringen.
Alle bisher durchgeführten Studien ergeben ein klares Bild. Durch Behandlungsfehler sterben jährlich etwa 1.000 Personen in Österreich. Und an Infektionen mit Krankenhauskeimen wahrscheinlich bis zu 4.000. Mindestens ein Drittel dieser Schicksale könnten verhindert werden!
Einen Fehler zu machen, ist menschlich. Im Medizinbetrieb kann ein solcher jedoch fatal sein. So sollen in den USA medizinische Irrtümer mit rund 250.000 Toten jährlich die dritthäufigste Todesursache darstellen.

Was sind schwere Behandlungsfehler?

Dazu zählen das Übersehen einer eindeutigen Fraktur auf einem Röntgenbild. Wenn eine falsche Körperstelle operiert wird. Wenn eine nötige Überweisung zu einem Facharzt nicht erfolgt. Wenn im Rahmen einer OP "der Tupfer oder die Schere" im Bauchraum verbleiben. Wenn "rote Linien" überschritten werden - also gegen medizinisches Grundwissen verstoßen wird.

Meist Verwechslungen bei Medikamenten

Nicht immer geht es so dramatisch zu und glücklicherweise passieren schwerwiegende Fehler, angesichts der großen Anzahl an gut behandelten Personen, selten. Auch wenn hierzulande keine validen Zahlen zu Diagnose- und Behandlungsfehlern vorliegen, so geht man davon aus, dass rund ein Prozent aller Krankenhausbehandlungen nicht korrekt durchgeführt wird. Das falsche, amputierte Bein mag spektakulär sein, stellt jedoch einen Sonderfall dar.
Meist kommt es zu Dosierungsfehlern bei Medikamenten bzw. einer Verwechslung von Arzneien. Oder zu vermeidbaren nosokomialen Infektionen durch Spitalskeime, etwa durch ein unzureichendes Hygienemanagement, die allerdings tödlich enden können.

Mangelhafte Fehlerkultur

Reflexartig macht man sich auf die Suche nach Schuldigen. Geht es doch oft um Schadensersatz, Schmerzensgeld und letztlich auch eine Form der Genugtuung, wenn fahrlässig gehandelt wurde und die Verursacher zur Verantwortung gezogen und bestraft werden sollen.
Dies sei jedoch eine schlechte Art der Fehlerkultur, wie die Juristin Maria Kletecka-Pulker erklärt. Schließlich ist man geneigt, Fehler eher zu vertuschen, wenn sie mit negativen Konsequenzen verbunden sind.
Bei einer positiven Fehlerkultur können hingegen solche Vorfälle als Anlass genommen werden, daraus zu lernen. Pannen werden als Teil des Systems erkannt und entsprechende Adaptionen vorgenommen. Denn meist steht ein Fehler am Ende einer Kette (unglücklicher) Ereignisse.
Auch soll ein solches Klima dazu beitragen, "Beinahe-Fehler" zu kommunizieren, um Schwächen in den Abläufen zu erkennen, sowohl im ärztlichen Bereich als auch in der Pflege.
Vor allem sogenannte "Never Events" - schwerwiegende Ereignisse im medizinischen Bereich, die als vermeidbar gelten - ließen sich dadurch minimieren.

"second victims"

Was oft vergessen wird: Neben dem Leid für die betroffenen Patientinnen und Patienten, kommt es auch für das involvierte Gesundheitspersonal, als "second victim" zu einer großen psychischen und mitunter auch finanziell existenzbedrohenden Belastung, wie Brigitte Ettl, Präsidentin der Österreichischen Plattform Patientensicherheit, berichtet.

Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit

Umso wichtiger, die Patientensicherheit in den Fokus zu rücken. Seit 2009 ist in Österreich ein anonymes Fehlermeldesystem etabliert (CIRSmedical), es gibt OP-Sicherheitschecklisten, die Patienten- und Patientinnen-Anwaltschaften, Ombudsstellen und Büros für Patientinnenanliegen kümmern sich um die Rechte ihrer Klientel.

"Reden Sie mit"

Derzeit läuft eine interessante Initiative vom Ludwig Boltzmann Institut: "Reden Sie mit! Behandlungsfehler - erzählen Sie uns Ihre persönlichen Erfahrungen zum Thema Behandlungsfehler!"
Seit Ende 2022 wurden Personen in Österreich eingeladen ihre Erfahrungen mit der Thematik zu mitzuteilen. Es soll in der Auswertung ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs zum Thema Behandlungsfehler angestoßen werden.

Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger befasst sich mit der Sicherheit von Patientinnen und Patienten und zeigt Möglichkeiten auf, wie man aus den Fehlern lernen und sie künftig vermeiden kann.

Moderation: Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger
Sendungsvorbereitung: Dr. Ronny Tekal und Dr. Christoph Leprich
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Ist im Rahmen Ihrer Behandlung ein Fehler unterlaufen?
Haben Sie ein Krankenhaus einmal kränker verlassen als sie es betreten haben?
Sind Sie in Ihrem Gesundheitsberuf mit einem folgeschweren Fehler konfrontiert worden? Wie wurde damit umgegangen?
Was könnte man Ihrer Meinung nach noch tun, um die Patientensicherheit zu steigern?

Service

Zu Gast im Ö1 Haus:
Dr.in Brigitte Ettl
Fachärztin für Innere Medizin, ehem. Ärztliche Direktorin Klinik Hietzing
Präsidentin der Österreichischen Plattform Patientensicherheit
Spitalgasse 2-4, Hof 2.8,
A-1090 Wien
E-Mail
Homepage

Ao. Univ. Prof. Dr. Harald Willschke
Leitung Präklinische Notfallmedizin, Leitung Anästhesie Unfallchirurgie
Uniklinik für Allgemeine Anästhesie und Intensivmedizin
Währinger Gürtel 18-20
1090 Wien
Tel.: +43 (0)1 40400 - 41020
E-Mail
Homepage

Ludwig Boltzmann Institut für Health and Patient Safety
Währinger Straße 104/10
1180 Wien, Österreich
E-Mail

Aus dem Landesstudio Kärnten:
Dr.in Maria Kletecka-Pulker, Juristin, Stv. Vorständin, Geschäftsführerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Uni Wien, Geschäftsführerin der Österreichischen Plattform Patientensicherheit (ANetPAS), wissenschaftliche Leiterin des Universitätslehrgangs "Patientensicherheit und Qualität im Gesundheitssystem", Mitglied der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt.
Telefon: +43 (0) 1 / 4277-22202
Mobil: +43 (0) 664 / 602 77-222 02
Fax: +43 (0) 1 / 4277-9222
E-Mail
Homepage

Weiterführende Informationen:
Plattform Patientensicherheit
Österreichischer Patientenbeirat zu Behandlungsfehlern
Ludwig Boltzmann Institute Digital Health and Patient Safety
Aus Fehlern lernen, um immer besser zu werden - Berichts- und Lernsystem (CIRSmedical)
Aktionsbündnis Patientensicherheit
Häufigste Fehler in Österreichs Krankenhäuser (NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft)
Nosokomiale Infektionen (Gesundheitsministerium)
Ihr Recht als Patient:In

Bücher

Ruth Hecker, Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V.
Risiko- und Sicherheitskultur im Gesundheitswesen
MWV 2022

Guenther Loewit
Achtung, Medizin kann Ihrer Gesundheit schaden: Ein Landarzt warnt
Edition a 2022

Sendereihe