Töpferarbeiten

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Radiokolleg

Nicht ohne meinen Körper! Psychoanalyse des Leibes (1)

Wie sich ein Trauma verkörpert

Seele und Körper gehören zusammen, und dennoch erweist sich diese Verbindung im Verlauf der gesamten Lebens- und Kulturgeschichte des Menschen als konflikthaft. Der Körper begegnet uns in seiner Unbezähmbarkeit: er "psycho-somatisiert", er rebelliert, reift und verformt sich. Die Psyche muss diese Metamorphosen des Körpers von Geburt, Pubertät, Alter bis hin zum Tod immer wieder neu begreifen.

Neueste Erkenntnisse der Psychotherapieforschung gehen davon aus, dass die meisten chronisch depressiven Menschen mehrfach traumatisiert sind. Diese frühen Traumatisierungen hat die Psychoanalytikerin Marianne Leuzinger-Bohleber mit ihrem Team am Sigmund-Freud-Institut Frankfurt in zwei großen Studien untersucht. Im Austausch mit Kognitions- und Neurowissenschaftlern konnte sie zeigen, dass frühe Traumatisierungen im Körper als "embodied memories" gespeichert werden und sogar erhalten bleiben. Ereignet sich das Trauma während der kindlichen Amnesie, also in der Säuglings- oder Kleinkindzeit, ist das Trauma bewusst nicht erinnerbar und darum auch nicht einer symbolisierungsfähigen Sprache zugänglich.

Die Erinnerung scheint wie gelöscht, aber der Körper "spricht", denn er bildet das so genannte prozedurale Gedächtnis. Das zeigt sich in psychosomatischen Störungen oder auch in so genannten Deckerinnerungen im Kontakt mit dem Therapeuten. So bestimmen diese schmerzhaften Erfahrungen unbewusst und unerkannt das Denken, Fühlen und Handeln, das oft zu bizarren Situationen und quälenden Symptomen führt. "Daher bilden diese "embodied memories" in der Übertragungsbeziehung zum Analytiker den Schlüssel zu einem sukzessiven, präzisen Verstehen der erlittenen Traumatisierungen, was sich als unverzichtbare Voraussetzung für die seelische Integration des Patienten erwiesen hat", erklärt Marianne Leuzinger-Bohleber. Anhand von ausführlichen Fallbeispielen aus eigener Praxis illustriert sie, wie die psychoanalytische Behandlung nicht nur aus der chronischen Depression und Ängsten herausführt, sondern wie durch neu gewonnene Beziehungserfahrungen in der Therapie die traumatische Erinnerungsspur blasser wird und damit auch nicht mehr an die nächste Generation weitergegeben wird.

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  • Katrin Mackowski