Mann im Rollstuhl

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Punkt eins

Was es für eine gewaltfreie Pflege braucht

Menschenwürde zwischen Ökonomie und Überforderung: Über den Umgang mit Aggressionen im Pflegealltag. Gäste: Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Osterbrink, Vorstand des Instituts für Pflegewissenschaft und -praxis an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg & Annemarie Siegl, MSC, Diplomsozialarbeiterin, Deeskalationstrainerin und Supervisorin, Mitarbeiterin Gewaltschutzzentrum Steiermark, Gewaltschutzakademie & Alexander Eder, MBA, Wiener Rotes Kreuz, Bereichsleiter Pflege und Betreuung, Pflegedienstleitung. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Das Waschwasser kalt, der Handgriff grob, die Bemerkungen verletzend, die Brille zu weit weg, das Füttern zu schnell. Die Zeit drängt, das Personal ist überlastet, die Tagesstruktur fixiert, die Kraft am Ende. Es ist ein großes Tabu, aber keine Ausnahme: Gewalt gegen pflegebedürftige, ältere Menschen.

Gewalt beginnt lange vor dem Strafrecht in der Sprache, bei Drohungen oder Bevormundung und "passiert" oft nicht in böser Absicht, sondern in Folge von Überlastung und Überforderung. Die Rahmenbedingungen der Arbeit - ob im Pflegeheim, in der mobilen Pflege oder der Familie - zählen zu den zentralen Risikofaktoren für Gewalt; eine gewaltfreie Pflege ist daher vor allem auch Aufgabe der Politik.

Es sind nicht nur die Fachkräfte, die in der Pflege fehlen, die seit Jahren kritische Personalsituation, die enormen strukturellen Defizite, es mangelt auch an Entlastung und Begleitung, Verständnis, Anerkennung und einem offenen Gespräch. Die Basis des "Pflegesystems" sind jene gut 950.000 Menschen in Österreich, die in die Pflege und Betreuung eines oder einer Angehörigen involviert sind und dabei nicht selten an und über ihre Grenzen geraten. Knapper Wohnraum, finanzielle Probleme, Ängste und Erwartungsdruck, soziale Isolation und mangelnde Freizeit reduzieren die Belastbarkeit zusätzlich und verschärfen die meist ohnehin komplexe Pflegesituation.

Umgekehrt können vor allem auch Menschen mit Demenzerkrankungen bei Fortschreiten des Verlaufs aggressiv gegen die Pflegenden werden. Verhaltensweisen wie Schreien, Umherlaufen oder Aggressionslust sorgen für Konflikte; Bedürfnisse und Rechte prallen aufeinander, Patentlösungen gibt es nicht.

Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gewalt gegen ältere Menschen als "eine einmalige oder wiederholte Handlung im Rahmen einer Vertrauensbeziehung oder um die Unterlassung geeigneter Maßnahmen, die älteren Menschen Schaden oder Leid zufügt". In Pflegesituationen ist Gewalt besonders schwer fassbar, aus Angst und Scham sprechen viele Betroffene nicht darüber. Auch die Erforschung von Gewalt im Pflegealltag gestaltet sich schwierig, das Tabu erschwert den Zugang, unterschiedliche Gewaltbegriffe und Erhebungsmethoden die Vergleichbarkeit.

Was braucht Gewaltprävention in der Pflege, was macht Gewalt in Pflegesituationen so komplex und wie begegnet die internationale Forschung diesen Herausforderungen?

Univ.-Prof. Jürgen Osterbrink, Vorstand des Instituts für Pflegewissenschaft und -praxis an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg, fasst den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammen und kennt internationale Best-practice-Beispiele.
Die Diplomsozialarbeiterin, Deeskalationstrainerin und Supervisorin Annemarie Siegl berichtet aus ihrem Arbeitsalltag: sie ist unter anderem seit 25 Jahren Mitarbeiterin beim Gewaltschutzzentrum Steiermark und engagiert sich bei der Gewaltschutzakademie. Aus der angewandten Praxis berichtet auch Alexander Eder, Bereichsleiter und Pflegedienstleiter beim Wiener Roten Kreuz.

Was verstehen wir unter Gewalt? Welche Risikofaktoren spielen eine Rolle? Wie lässt sich Würde auf allen Seiten wahren und wie lassen sich die enormen Anforderungen an Pflegende meistern? Was tun, bei dem Verdacht auf Gewalt und was tun, wenn der pflegebedürftige Mensch gewalttätig ist?

Diskutieren Sie mit unter 0800 22 69 79 während der Sendung oder schreiben Sie uns an punkteins(at)orf.at

Diese Ausgabe von Punkt eins ist Teil des ORF Schwerpunkts zum Gesundheits- und Pflegesystem.

Service

Buchtipp:
Jürgen Osterbrink, Franziska Lasser-Andratsch: Gewalt in der Pflege - Wie es dazu kommt. Wie man sie erkennt. Was wir dagegen tun können. 2015, Beck Verlag

Informationen und Kontaktadressen:

Gewaltschutzzentrum österreichweit
Tel. 0800 200 217

Gewaltschutzakademie

Pro Senectute
Beratungstelefon Gewalt und Alter, vertraulich und kostenlos 0699 / 11 20 00 99

Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger

Rotes Kreuz - umfangreiche Informationen und Hilfsangebote.

ZQP Zentrum für Qualität in der Pflege
ZQP - Gewaltprävention
ZQP Ratgeber Broschüre: Gewalt vorbeugen
ZQP über Formen und Ursachen von Gewalt in der Pflege

Pflegetelefon des Sozialministeriums, Tel.: 0800/20 16 22 (gebührenfrei)
Amtshelfer-Plattform

Informationsblatt: Umgang mit Aggression und Überforderung

Gewaltinfo

Sendereihe

Gestaltung

  • Barbara Zeithammer

Übersicht

Playlist

Urheber/Urheberin: Johannes Brahms
Sieben Fantasien für Klavier op.116
* Intermezzo
Solist/Solistin: Eva Knardahl/Klavier
Länge: 02:54 min
Label: Simax

Urheber/Urheberin: Johannes Brahms
Sieben Fantasien für Klavier op.116
* Intermezzo
Solist/Solistin: Eva Knardahl/Klavier
Länge: 02:21 min
Label: Simax

Urheber/Urheberin: Johannes Brahms
Sieben Fantasien für Klavier op.116
* Capriccio
Solist/Solistin: Eva Knardahl/Klavier
Länge: 02:28 min
Label: Simax

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