Mirjam Zadoff

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Punkt eins

Was wurde aus "niemals vergessen"?

Erinnerungskulturen und Lehren für die Gegenwart: Mirjam Zadoff und ihr neues Buch "Gewalt und Gedächtnis" live auf der Buch Wien 2023. Gast: Mirjam Zadoff, Historikerin, Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München. Moderation: Xaver Forthuber. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Im Warschauer Ghetto entsteht "das größte geheime Untergrundarchiv" über die Verbrechen des Holocaust - unter Lebensgefahr gesammelte Beweismittel, während nebenan die Vernichtungsmaschinerie der Nazis läuft. Gerade im deutschsprachigen Raum droht die "selbstorganisierte Erinnerung der Überlebenden" nach dem Krieg unter den Tisch zu fallen - die Überlebenden werden noch jahrzehntelang um ihre Glaubwürdigkeit kämpfen müssen, die Hinterlassenschaften der Täter:innen werden als zuverlässiger eingestuft.

80 Jahre danach: In Tel Aviv porträtiert ein israelischer Fotograf Holocaust-Überlebende auf eine neue Weise, "die nicht zum Bild der ernsten und mahnenden Zeugen passt" - selbstbestimmt, oft humorvoll - und verweist damit auch auf die vielen Leerstellen in der eigentlich überschaubaren Zahl von Bildern, die für uns heute die Shoah repräsentieren.

In Tokio übt sich ein Weltkriegsmuseum in "auffälliger Unauffälligkeit", während ein Teil der Gesellschaft und vor allem die Nachbarländer, die damals vom Kaiserreich überrannt wurden, "historische Amnesie" beklagen.

In Kiew soll ein Gedenkort für ein fast vergessenes Kriegsverbrechen der Nazis geschaffen werden. Das künstlerische Konzept sei unwürdig reißerisch, wie ein "Holocaust-Disneyland", findet ein österreichischer Historiker und zieht sich aus dem Beirat zurück. Bald darauf stellt ein neuer Krieg auch die russische Beteiligung an dem Projekt unter neue Vorzeichen.

Szenen aus dem aktuellen Buch "Gewalt und Gedächtnis" der österreichischen Historikerin Mirjam Zadoff. In 13 Episoden spürt sie dem Gedenken an Krieg und Gewalt rund um den Globus nach. Dabei stößt sie immer wieder auf die spezifische Form der Erinnerungskultur, die sich in Nachkriegsdeutschland herausbildete und bald als vorbildlich zum internationalen Standard erklärt wurde - zur "DIN-Norm des Gedenkens", wie Timothy Garton Ash es einmal nannte.

Doch das ist nur ein Ausgangspunkt: Erinnerungen und Erzählungen kommen aus verschiedenen Perspektiven, überwinden Grenzen, überschneiden und ergänzen sich, kämpfen mit- und gegeneinander um ihre Anerkennung, fügen sich zu einem "verwobenen", "multidirektionalen" Gedächtnis zusammen. Miriam Zadoff zeigt Erinnerungsarbeit konkret, fluide, in ihrem räumlichen und zeitlichen Kontext verortet - und immer auch: gegenwartsbezogen.

Was prägt ein kollektives Gedächtnis, und können Gesellschaften aus ihrer Geschichte lernen? Was bringt das gemeinsame Erinnern für die Fragen der Gegenwart?

Auf der ORF-Bühne der Buch Wien spricht Xaver Forthuber mit Mirjam Zadoff und mit Ihnen. Reden Sie mit: Im Publikum, telefonisch unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at

Service

Buch:
Mirjam Zadoff: Gewalt und Gedächtnis. Globale Erinnerung im 21. Jahrhundert. Hanser, 2023.

Sendereihe

Gestaltung

  • Xaver Forthuber

Übersicht

Playlist

Urheber/Urheberin: Erich Schmeckenbecher & Theodor Kramer
Titel: Andre, die das Land so sehr nicht liebten (Live)
Ausführender/Ausführende: Zupfgeigenhansel
Länge: 03:09 min
Label: EMI

Urheber/Urheberin: Bob Dylan
Titel: With God On Our Side; zT. unterlegt
Ausführender/Ausführende: Joan Baez
Länge: 06:15 min
Label: Warner Bros

Urheber/Urheberin: Carlos Bica
Titel: Smile; zT. unterlegt
Ausführender/Ausführende: Carlos Bica & Azul
Länge: 04:43 min
Label: Enja

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