Ideologie und Ernährung

16. November 2023, 13:00

Künstlerisch stilsicher, formal beeindruckend und inhaltlich bedrückend erzählt die österreichische Regisseurin Jessica Hausner in ihrem aktuellen Film Club Zero die Geschichte einer radikalen Unterwerfung unter eine ganze Reihe idealisierter Ideen: Selbstdisziplin, Willensstärke, höchste Konzentration, Widerstand gegen Konsumismus, Lebensmittelindustrie und Angepasstheit, Kampf gegen die ökologische Krise und die neoliberale Wirtschaftsordnung, die den Klimawandel verursacht.

All das und noch mehr wird einer Gruppe Jugendlicher in einem englischen Elite-Collage von einer missionarischen Lehrerin in Aussicht gestellt, wenn sie lernen, "bewusst" zu essen und schließlich ganz auf die Nahrungsmittelaufnahme zu verzichten. Das absurde Szenario, dem die Eltern ohnmächtig gegenüberstehen, weil sie die Verantwortung für ihre Kinder schon lange zuvor abgegeben haben, spiegelt eine radikale, zuweilen verzweifelte Sinnsuche der Heranwachsenden, eine Verweigerung bzw. einen Protest gegenüber der sogenannten Normalität und auch eine innere Leere, die durch die Manipulationen der Lehrerin kaschiert wird.

Jessica Hausners Filme befassen sich weniger mit individuellen Lebensgeschichten als mit der Darstellung von systemischen, gesellschaftlichen Prozessen, insbesondere auch mit hierarchischen Strukturen und der Unterwerfung unter dieselben. In Club Zero wird die Ernährung zur Projektionsfläche vieler Sehnsüchte, in welcher Weise und ob überhaupt noch gegessen wird, ist für die Jugendlichen ein Identitätskriterium.

Die Weltpremiere von Club Zero fand im Mai in Cannes statt, die Österreich-Premiere erfolgte bei der diesjährigen Viennale, ab 17. November ist der Film, der bereits in 40 Ländern verkauft worden ist, in den heimischen Kinos zu sehen.

Regisseurin Jessica Hausner und Elisabeth Sperr, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Ernährungsberatung "forum. ernährung heute" sind Gäste bei Andreas Obrecht.

Wie immer freut sich die Punkt-eins-Redaktion über Ihre Teilnahme an der Diskussion unter 0800 22 69 79 telefonisch während der Sendung oder unter punkteins(at)orf.at

Warum sind Heilsversprechen erfolgreich und warum ist es mitunter schwierig, Realität von Ideologie zu unterscheiden? Auf welche Formen der Verweigerung, des Protestes gegen die Eltern und die sogenannte normale gesellschaftliche Ordnung können Jugendliche heute zurückgreifen? Ist das Einfallstor für Manipulationen jeglicher Art größer als früher? Welche Bedeutung hat Ernährung für Ihr Leben? Wie sollten sich Kinder und Jugendliche ernähren - was drückt für Sie "richtige Ernährung" aus? Wird die Beschäftigung mit Ernährung in unserer Gesellschaft übertrieben?

Sendereihe

• Punkt eins

Gestaltung

• Andreas Obrecht