Rituale im Wandel

16. November 2023, 06:57

Nicht jedes Ritual wird ewig beibehalten. Zum Glück, muss ich hinzufügen, denn die Geschichte der Menschheit ist voll von blutrünstigen Ritualen, die erst durch verschiedenste Umstände oder auch mithilfe verschiedenster Aufstände verabschiedet wurden.

Rituelle Tötungen standen in allen Kulturen auf der Tagesordnung und sollten nicht nur das Wohlwollen der jeweiligen Götter oder Herrscher, sondern auch den Fortbestand des jeweiligen Volkes garantieren. Das heißt aber nicht, dass diese Rituale völlig verschwinden. Manchmal bleiben sie auch im übertragenen Sinn erhalten, beispielsweise im "unblutigen" Ritus der christlichen Eucharistie, in dem der Leib Christi symbolisch verzehrt wird.

Oft tauchen manche uralte Rituale in einem neuen Gewand wieder auf. Ich denke da zum Beispiel an das Ritualfeuer zum keltischen Fruchtbarkeitsfest Beltane, das einst in der Nacht von 30. April auf 1. Mai gefeiert wurde. Wesentlich später, mit dem Christentum, wurde dasselbe Datum als Walpurgisnacht verrufen, in der sich die Hexen zum Tanz ums Feuer auf dem Blocksberg versammeln würden. Abgewandelt in der Form, aber ganz im Sinne des keltischen Ursprungs wird noch heute in vielen, vielen österreichischen Gemeinden am Vorabend des traditionellen Maifeiertags ein Maibaum aufgestellt. Unter dessen Schutz darf seit Ewigkeiten nicht nur mit dem anderen Geschlecht getanzt, sondern auch offensiv angebandelt werden.

So gesehen strukturieren Rituale nicht nur den Lebenszyklus jedes Einzelnen, sondern geben ihm darüber hinaus die Erlaubnis, Grenzen für eine vorgesehene Zeit bewusst und im kollektiven Einverständnis zu überschreiten.

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• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler