Sara Kuehn

CLAUDIA WINKLER

Gedanken für den Tag

Das Lied der ewigen Sehnsucht

Sara Kuehn, Kunsthistorikerin und Lektorin am Institut für Islamische Theologie der Universität Wien, zum 750. Todestag des persischen Mystikers Rumi

In den einleitenden Zeilen seines mystischen Werks, dem Masnavi, dass für viele Menschen - nicht nur Musliminnen und Muslime - von besonderer Bedeutung ist, überträgt Rumi die traditionelle Klage der sufischen Poesie über die Trennung von Gott auf das Lied der Schilfrohrflöte:

Höre, wie dieses Schilfrohr klagt,
wie es von seinem Trennungsschmerz erzählt:
"Seit man mich vom Röhricht abgeschnitten hat,
klagen Mann und Frau in meinen Flötentönen.
Ein Herz, zerschmettert durch die Trennung, sehnt sich danach,
dass ich ihm von der Qual der Sehnsucht berichte."

Das Lied der Rohrflöte, der Ney, ist auch ein unverzichtbarer Bestandteil der Mevlevi-Musik. Eine Improvisation auf der Ney symbolisiert den ersten göttlichen Atem, der allem Leben einhaucht. Die klagende Musik der Ney, die erst aus dem Schilfrohr herausgeschnitten werden musste, soll die Menschen daran erinnern, dass sie - nach sufistischem Verständnis - einst in ihrer Ursprünglichkeit ungetrennt von Gott, dem Ursprung des Seins, waren und erst durch den Akt der Schöpfung in die Welt der Zweiheit gelangten.

Symbolisch steht sie für die Vereinzelung des Menschen, für seine Trennung vom Schöpfer. Weiterhin betont Rumi: "Jeder, der weit von seinem Ursprung entfernt ist, sehnt sich danach, wieder mit ihm vereint zu sein." Der Ursprung ist Gott selbst bzw. das als Gott imaginierte All-Eine, das kosmische Ganze.

Zu den Klängen der Ney und anderer Instrumente drehen sich die Derwische bei der Sema-Zeremonie, einer meditativen Musik- und Tanzform, die vor allem mit dem Wirbeltanz des Mevlevi-Ordens in Verbindung gebracht wird. Wie in Trance drehen sie sich mit einer Hand nach oben und der anderen nach unten um die eigene Achse und symbolisieren so die Menschheit mit ihrer Verbindung zwischen Himmel und Erde.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Kudsi Erguner geb.1952
Album: SUFI MUSIC OF TURKEY
Titel: Zikr/instr.
Solist/Solistin: Kudsi Erguner
Solist/Solistin: Süleman Erguner
Länge: 13:48 min
Label: CMP 3005

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