Großer Saal der Elbphilharmonie

APA/DPA/CHRSTIAN CHARISIUS

Das Ö1 Konzert

Kodály, Poulenc, Prokofjew

NDR Elbphilharmonie Orchester, Dirigent: Stanislav Kochanovsky; Lucas und Arthur Jussen, Klaviere. Zoltán Kodály: Konzert für Orchester; Francis Poulenc: Konzert für 2 Klaviere und Orchester; Sergej Prokofjew: Symphonie Nr.6 es-Moll op. 111 (aufgenommen am 21. April in der Elbphilharmonie in Hamburg)

Konzert für Orchester, nicht von Bartók

Der russische Dirigent Stanislav Kochanovsky "mag das Konzert für Orchester von Zoltán Kodály sehr - ein wunderbares Werk." In nur 16 Minuten könne "das Orchester zeigen, was es so draufhat, jede Instrumentengruppe kann brillieren, das Orchester genießt das." Das einsätzige und an ein Divertimento erinnernde Werk steht freilich im Schatten des symphonisch angelegten später entstandenen Konzerts für Orchester von Belá Bartók. Beide Werke wurden von amerikanischen Orchestern in Auftrag gegeben. 1941 wurde das Kodály-Konzert vom Chicago Symphony Orchestra, 1944 jenes von Bartók vom Boston Symphony Orchestra uraufgeführt.

Bereits Hindemith hatte 1925 ein "Konzert für Orchester" geschrieben, dann u.a. auch Walter Piston oder Alfredo Casello. Nach 1945 folgten Witold Lutos?awski, Michael Tippett, Havergal Brian, Elliot Carter, Magnus Lindberg und viele andere. Goffredo Petrassi schrieb seit den 1930er-Jahren gar acht Werke mit dem Titel "Konzert für Orchester", Rodion Schtschedrin seit den 1960er-Jahren fünf.


Brüder, die gerne gemeinsam Klavier spielen

Lucas Jussen (Jahrgang 1993) und sein drei Jahre jüngerer Bruder Arthur spielen seit ihrer Kindheit "sehr gerne gemeinsam Klavier", im Alter von zehn bzw. dreizehn das Konzert für zwei Klaviere von Mozart im Amsterdamer Concertgebouw und 2009 am selben Ort das Konzert für zwei Klaviere von Francis Poulenc. Der 2. Satz dieses Konzerts, so Poulenc, ist ein "poetisches Spiel mit einem Porträt Mozarts". Ein Vorbild war der 2. Satz aus Ravels Klavierkonzert G-Dur. Der 3. Satz geht mit drei einprägsamen Themen recht frei um. Vorbilder? Vielleicht Saint-Saens oder Chabrier. Auf den unwiderstehlichen Brio-Beginn des 1932 entstandenen Konzerts folgen zwei schroffe Mollakkorde, die das xylophoneske Geschnatter der Klaviere nicht verhindern können. Ein zweites, bewusst kindliches, Thema verhindert aufkeimendes Pathos. Der Satz endet, wie erschöpft, pianissimo.


Volksfreundliche Musik mit abschließendem Schock

Prokofjew beschrieb seine 6. Symphonie zunächst recht allgemein: "Der erste Satz ist aufgewühlt, manchmal lyrisch, manchmal karg; der zweite Satz, Largo, ist heller und melodiöser; das Finale, rasant und in einer Dur-Tonart, steht meiner Fünften Symphonie nahe, abgesehen von den Reminiszenzen an die kargen Passagen des ersten Satzes." Welche Reminiszenzen, wollte seine Frau wissen. "Fragen, die in die Ewigkeit geworfen wurden." Welche Fragen? Prokofjew: "Was ist das Leben?"

Prokofjew geriet durch die Kampagne der KPdSU gegen "die formalistische Richtung in der sowjetischen Musik" unter lebensbedrohlichen Druck. So kommentierte er 1948, die Sechste sei ein Denkmal für die Opfer des Großen Vaterländischen Krieges. "Jetzt freuen wir uns über den großen Sieg, aber jeder von uns hat noch nicht vernarbte Wunden. Der eine verlor ihm nahestehende Menschen, der andere seine Gesundheit. Das darf man nicht vergessen." Nur scheinbar beugt sich diese dreisätzige Symphonie, wie schon 1937 die 5. Symphonie von Schostakowitsch (wohl auch Prokofjews Fünfte), dem stalinistischen Diktat: optimistisch aufbauende, eingängige und volkstümliche statt "volksfeindlicher" Musik. Nur scheinbar? Indiz? Zunächst die Schlüsse der Sätze eins und zwei. Das jeweilige Hauptthema mündet jeweils in eine Coda: die Musik klingt ausgelaugt.

Der Schlusssatz seiner vorletzten Symphonie wiederholt das Muster - mit einem dramatischen Unterschied. Der Satz beginnt mit einem simplen, überdreht optimistischen, peinsam fröhlichen Thema. Im Schlusssatz kehrt die Musik zum ersten Thema zurück, aber ohne die ersten beiden Takte - und mit ihnen geht der Frohsinn verloren. "Die Coda ist ein Schock", sagt Kochanovsky. Der letzte Blechbläserakkord - die allergrellste Dissonanz -erinnert den aus St. Petersburg gebürtigen Dirigenten an "ein Fallbeil. Mit einem Schlag werden Millionen Menschen ermordet." Es folgt noch ein schroffer Dur-Akkord.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Zoltán Kodály /1882-1967
Titel: Konzert für Orchester
* Allegro risoluto - 1.Satz
* Largo - 2.Satz
* Tempo primo - 3.Satz
* Largo - 4.Satz
* Tempo primo - 5.Satz (00:01:06)
Orchester: NDR Elbphilharmonie Orchester
Leitung: Stanislav Kochanovsky
Länge: 16:35 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Francis Poulenc/1899 - 1963
Titel: Konzert für 2 Klaviere und Orchester in d-moll
* Allegro ma non troppo - 1.Satz (00:07:32)
* Larghetto - 2.Satz -
* Finale. Allegro molto - 3.Satz (00:05:08)
Solist/Solistin: Lucas Jussen /Klavier
Solist/Solistin: Arthur Jussen /Klavier
Orchester: NDR Elbphilharmonie Orchester
Leitung: Stanislav Kochanovsky
Länge: 19:30 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Sergei Prokofjew/1891 - 1953
Titel: Symphonie Nr.6 in es-Moll op.111
* Allegro moderato - 1.Satz
* Largo - 2.Satz
* Vivace - 3.Satz
Orchester: NDR Elbphilharmonie Orchester
Leitung: Stanislav Kochanovsky
Länge: 41:20 min
Label: EBU

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