Mitten drinnen

30. Dezember 2023, 06:57

Am Ende des Jahres wartet ja ein Papst auf uns. Denn der Silvester-Tag ist nach jenem Papst benannt, der zu Zeiten Konstantin des Großen Papst war und von diesem angeblich die "Konstantinische Schenkung" erhalten hat. Ein Dokument, das dem Papst die Oberhoheit über alle anderen christlichen Kirchenfürsten sowie das gesamte Weströmische Reich vermachte.

Ein Dokument, das also den Anfang der herausragenden Stellung des Papstes begründet und das man etwa erst 600 Jahre nach dessen angeblicher Erstellung überraschenderweise gefunden hat. Und das ein bisschen eine Fälschung ist. Aber mei, jedem Anfang liegt ein Zauber inne und Zauberer tricksen eben gerne. Manchmal muss dem Anfang eben ein wenig nachgeholfen werden.

Und gerade die Religionen sind ja Experten in Sachen Anfang und Ende. So ist es auch kein Wunder, dass dieses Expertenwissen sich in der Architektur der christlichen Kirchen niederschlägt. So ist in zahlreichen Kirchen - wie etwa in der Kathedrale von Chartres - ein Labyrinth in den Boden eingelassen. Das Labyrinth ist wohlgemerkt kein Irrgarten. Auch wenn es sich bisweilen so anfühlt. Nein, ein Labyrinth ist ein Weg, der einen ins Zentrum der Zeichnung bringt und danach wieder hinaus. Es ist ein Symbol des Lebens. Und Anfang und Ende des Labyrinths liegen gleich nebeneinander.

Jeder, der schon mal ein frisch geborenes Kind in den Armen halten durfte und einem sehr alten Menschen die Hand beim Sterben, weiß, wie nah auch Ende und Anfang des menschlichen Daseins beieinander sind. Dazwischen ist das Labyrinth des Lebens. Wenn Sie sich also mal überhaupt nicht auskennen, wo sie sind, wie lange es dauert und sich überhaupt denken: Wie soll es weitergehen?, dann - da kann ich sie beruhigen - dann stehen Sie gerade mitten im Leben. Also genießen sie es. In diesem Sinne: Schönes neues Jahr!

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler