Dichtung zwischen Deutsch und Iwrit

28. Jänner 2024, 08:15

"Weshalb muss ich mir auch heute immer wieder sagen, Gedichte seien vom Anständigsten, was es noch gibt, und Sprache sei die beste aller menschlichen Welten, wenn auch noch nicht die gute?", schrieb Tuvia Rübner einmal. Der jüdische Dichter zwischen den Sprachen und frühe Brückenbauer zwischen den Kulturen Israels und Deutschlands - er übertrug Johann Wolfgang von Goethe, Paul Celan und Franz Kafka ins Iwrit und Josef Agnon, Dan Pagis und Anton Pincas ins Deutsche - wäre heuer 100 Jahre alt geworden.

Rübners Lyrik ist geprägt von den vielen Verlusten in seiner Biografie, von dem Nebeneinander von Glück und Unglück, von Verlorenem und Augenblicklichem. "Selbst was wir Gegenwart nennen, ist Erinnerung, da alles Erlebte im Augenblick, wo es uns zu Bewusstsein kommt, wo wir es wissen, Erinnerung wird. Wirklichkeit ist, was wir nicht wissen." In Rübners poetischer Behandlung ethischer und anthropologischer Grundfragen zeigt sich ein verzweifelter wie unbeugsamer Glaube an den Wert des Menschlichen. Seine Sprache ist stark visuell und von schlichter Unmittelbarkeit.

Als Kind jüdischer Eltern 1924 in Preßburg/Bratislava geboren, gelang Tuvia Rübner 1941 als 16-Jährigem die Flucht nach Palästina. Alle seine Angehörigen wurden in Auschwitz ermordet. Im Kibbuz Merchavia begann er Gedichte zu schreiben, zunächst auf Deutsch, ab 1954 auf Iwrit, erst ab 1992 wieder auch auf Deutsch. Für seine etwa zehn Iwrit-sprachigen Gedichtbände erhielt Rübner 2008 den Israel-Preis für Literatur, für seine elf deutschsprachigen Bände, die seit den 1990er Jahren im Aachener Rimbaud Verlag erschienen, erhielt er u.a. den Paul-Celan-Preis und den Theodor-Kramer-Preis, außerdem den Konrad-Adenauer-Literaturpreis. Tuvia Rübner starb 2019 in Israel.

In der Sendung zu hören sind Gedichte aus fünf Jahrzehnten, die in den Bänden "Wer hält diese Eile aus", "Zypressenlicht", "Rauchvögel" und "Wüstenginster" erschienen sind.

Service

In dieser Sendung werden folgende Gedichte von Tuvia Rübner vorgestellt:

"Veränderungen"
"Als ich kam"
"Komm doch"
"Menschen sind nichts als Menschen"
"Während wir geschickt werden"
"Das Leben danach"
"Es reiften die Nüsse"
"Nie und nimmer"

Aus: Tuvia Rübner: Zypressenlicht. Ausgewählte Gedichte II 1957-1999. Rimbaud Verlag, Aachen 2000.
Tuvia Rübner: Wüstenginster. Gedichte. Hrsg. und aus dem Hebräischen übersetzt von Efrat Gal-Ed und Christoph Meckel. Piper Verlag, München 1990.
Tuvia Rübner: Rauchvögel. Ausgewählte Gedichte I 1957-1997. Rimbaud Verlag, Aachen 1998.
Tuvia Rübner: Wer hält diese Eile aus. Gedichte. Rimbaud Verlag, Aachen 2007.

Sendereihe

• Du holde Kunst

Gestaltung

• Gudrun Hamböck

Übersicht

• Lesen mit Ö1