Thomas von Aquin - Philosoph mit Keuschheitsgürtel

7. März 2024, 06:57

"Glückwunsch!", sage ich und serviere meinem Frühstücksgast ein Stück Schokoladentorte. Der 750. Todestag ist ja wohl wahrlich ein Grund zum Feiern! Der Jubilar, Thomas von Aquin, ist bis heute einer der bedeutendsten katholischen Philosophen und Theologen. Zu seinem Ehrentag ist er diese Woche auch mein einziger männlicher Gast in meinem Frühstückscafé.

"Tragen Sie Ihren Keuschheitsgürtel immer noch, Doktor Angelikus?", will ich wissen und schäme mich sofort über diese taktlose Eröffnung. Typisch katholisch! Da sitzt einer der bedeutendsten mittelalterlichen Denker vor mir und ich rede über Sex!

"Lesen Sie eigentlich meine Schriften noch, Dottoressa Angelika?", geht er sofort zum Gegenangriff über, und ich sehe, wie er sich freut, dass der Konter sitzt. "Aber ja, durchaus!", kann ich ihn beruhigen. "Ich muss allerdings die Sätze über Frauen weglassen, sonst wird mir schlecht. Abgesehen davon kommt man in der Theologie nicht an Ihnen vorbei!" Die Überlegungen zu den Gottesbeweisen und zum Gewissensbegriff, die Ausführungen über Willensfreiheit und Handlungsfreiheit, das ganzheitliche Verständnis des Menschen - dies alles ist nach wie vor präsent.

Ob wir in den theologischen Fakultäten noch immer an die Grenzen des Denkmöglichen gingen, will er wissen. "Ja schon", sage ich. Aber es wird immer schwieriger. Ich erzähle ihm von der zunehmenden Banalität der Predigten und der rasant wachsenden Schar frommer Ideologen, die stets ganz genau wissen, was Gottes Wille ist. Dabei ist "das Letzte in der menschlichen Erkenntnis von Gott, dass sie weiß, von Gott nichts zu wissen." Thomas von Aquin strahlt, ich habe ihn soeben zitiert! Und weil ich dieses Zitat über das letzte große Geheimnis wirklich mag, bin ich gnädig und lasse das Thema Frauen für heute ruhen. Immerhin hat der Doktor Angelikus seinen Ehrentag!

Service

Podcast abonnieren

Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler

Übersicht

• Internationaler Frauentag