Margareta Porete - Begine auf dem Scheiterhaufen

8. März 2024, 06:57

Heute ist Internationaler Frauentag. Ich betrete gespannt mein Frühstückscafé - und bleibe enttäuscht stehen. Da liegt nichts als ein Buch auf dem Tisch: "Der Spiegel der einfachen Seelen und jener, die einzig im Wollen und Verlangen der Liebe bleiben."

Seltsamer Titel. Was soll das? Eine Stelle ist markiert, und ich lese: "Ich war sehr töricht zur Zeit, da ich dieses Buch geschrieben habe, oder vielmehr die Liebe es tat auf mein Verlangen hin... Ich tat wie einer, der das Meer in sein Auge einschließen, die Weltkugel auf der Spitze eines Binsenrohres tragen oder die Sonne durch eine Stocklaterne oder eine Fackel heller machen wollte!"

"Was ist das denn?", denke ich. Irgendwie verrückt... Aber die Sprache und die Bilder faszinieren mich! Und so lese ich das Buch weiter, verfasst von Margareta Porete, einer französischen Mystikerin, im Jahr 1310 als Ketzerin auf dem Scheiterhaufen in Paris öffentlich verbrannt.

Margareta Porete gehörte zu den sogenannten Beginen, Mitglieder einer spirituellen Erneuerungsbewegung von Laien, unter ihnen viele hochgebildete Frauen. Margareta gibt Gott einen eigenen Namen: Der "Fern-Nahe". Und sie beharrt darauf, ihr Buch über ihre Erfahrung mit diesem Fern-Nahen zu schreiben und öffentlich vorzutragen - ohne die religiösen Autoritäten ihrer Zeit um Erlaubnis zu fragen.

Die Kühnheit solcher Gottesrede und ihre Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Glauben bezahlt sie mit ihrem Leben. Vor ihrem Scheiterhaufen stehen die Inquisitoren. Heute stehen dort die Mullahs, die Taliban, die Aufseher der russischen Gulags. Und in den Flammen rund um den Erdball brennen die Frauen Afghanistans, die Frauen des Iran, die Frauen Indiens und viele andere. Ein einziges Flammenmeer der Sehnsucht nach Freiheit. Manchmal überlebt ein Buch.

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