Das Licht

13. März 2024, 06:57

Einmal gab der Maler Alexej von Jawlensky eine treffliche Anleitung zur Begegnung mit Kunst. Er schreibt in einem Brief an einen Verehrer seiner Bilder:

"Alles, was Sie mir Schönes von meiner Kunst sagen, weise ich auf Ihre feinempfindende Seele zurück. Jeder findet in jedem Kunstwerk immer nur das, wozu sich seine Seele vorbereitet, hat. … Es ist auch nicht nötig, dass das Empfinden des Zuschauers und der schöpferische Trieb des Künstlers sich decken... Was Sie vor meinen Bildern fühlen, ist eben das, was Sie fühlen und was Sie fühlen müssen und so hat meine Seele zu der Ihrigen gesprochen."

Alexej von Jawlensky wird am 13. März 1864 als vorletztes von sechs Kindern einer Offiziersfamilie in Torschok, einer Kleinstadt zwischen Moskau und St. Petersburg geboren. Im Zuge der berufsbedingten oftmaligen Ortswechsel sind Reisen keine Seltenheit. Einmal nahm die Familie in einer Kleinstadt Quartier. Jawlensky erinnert sich fast 70 Jahre später: "Es war im Frühjahr. Wir sind in ein einstöckiges Holzhaus eingezogen. Am Abend hatte man die Läden zugemacht. Morgens früh, als wir wach wurden, war es dunkel und nur durch Ritzen der Läden kam die Sonne. Und plötzlich machte jemand von außen die Läden auf, und im Zimmer wurde es sonnig und hell, und wir Brüder fingen aus Freude an, uns gegenseitig mit den Kissen zu bewerfen."

Das Geheimnis so vieler Bilder der Kunstgeschichte ist das Geheimnis des in die Dunkelheit einbrechenden Lichtes. Bei keinem anderen Maler erscheint mir ein Wort von Simone Weil so zutreffend zu sein, wie bei Bildern von Jawlensky: "Es gibt nur eine Methode, um Bilder zu verstehen - nicht versuchen, sie zu interpretieren, sondern sie so lange anzuschauen, bis das Licht hervorbricht."

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