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Gedanken für den Tag
Das dritte Auge
Hubert Gaisbauer, Publizist, zum 160. Geburtstag des deutsch-russischen Malers Alexej von Jawlensky
14. März 2024, 06:57
Das beherrschende Motiv des deutsch-russischen Malers Alexej von Jawlensky wird ab dem Jahr 1912 das menschliche Gesicht. Jetzt entstehen jene starken und gewaltigen Köpfe, Ausdruck der elementaren Gefühlswelt, in der dieser Maler lebt.
Auf nahezu jedem Gesicht findet sich von nun an zwischen den Augenbrauen ein heller oder dunkler Fleck, ein angedeuteter Kreis, eine ausgesparte Stelle. Immer wieder wurde über die Bedeutung dieser Zeichen gerätselt. Als man Jawlensky selber fragte, was sie bedeuten, hat er geantwortet: "Muss da sein!" Ist es vom Weisheitszeichen an byzantinischen Muttergottes-Ikonen inspiriert oder soll man an ein fernöstliches Zeichen spiritueller Empfänglichkeit und Ausstrahlung denken. An das Stirn-Chakra in den indischen Schriften etwa, das den Menschen an das Göttliche in ihm erinnern soll.
Auch bei westlichen Mystikern findet man den Begriff des Dritten Auges. So bei Hugo von St. Viktor, der von einem dreifachen Auge des Menschen spricht: dem Auge des Körpers, dem Auge der Vernunft und dem Auge der Beschauung, mit dem der Mensch die göttlichen Dinge erfasst. Durch die Abkehr von Gott - so die Mystiker - ist das Auge der Beschauung fast erloschen. Daher muss dieses Dritte Auge wieder geheilt werden. Damit der Mensch wieder zum Schauen finde. Vom unruhigen Schweifen des Blicks "zum ruhenden Schauen". In den Bildern von Jawlensky wacht dieses Zeichen zwischen den leiblichen Augen, gleich ob sie weit aufgerissen oder geschlossen sind.
Die Köpfe des Malers Jawlensky haben kaum individuelle Züge, sie sind deshalb auch keine Gesichter, sondern sie sind "Gesichte". "Ich verstand", sagte er gegen Ende seines Lebens, "dass der Künstler mit seiner Kunst durch Formen und Farben sagen muss, was in ihm Göttliches ist. Darum ist das Kunstwerk ein sichtbarer Gott, und die Kunst ist Sehnsucht zu Gott'", so Jawlensky.
Service
Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: John Cage 1912 - 1992
Album: JOHN CAGE: IN A LANDSCAPE
Titel: Souvenir - für Orgel
Solist/Solistin: Stephen Drury
Länge: 11:53 min
Label: BMG Catalyst 09026619802