Friedrich Polte

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Der SS-Geheimdienstchef und seine Kinder

"Hingerichtet und verschwiegen. Der SS-Geheimdienstchef und seine Kinder." Mehr als sieben Jahrzehnte lang haben die Kinder und Enkel des SS-Obersturmbannführers Friedrich Polte so gut wie nichts gewusst über ihn und die Gründe für seine Hinrichtung nach Kriegsende. Selbst ob es ein Urteil gab, war ihnen nicht bekannt. Sein Enkel Bernt Koschuh hat sich nun auf Spurensuche begeben - in Archiven, in Interviews und in verschlüsselten Briefen Poltes aus der Gefangenschaft.

Der SS-Obersturmbannführer Friedrich Polte wurde Anfang 1947 in Belgrad als Nazi-Kriegsverbrecher hingerichtet. Polte war Chef des Sicherheitsdiensts der SS in den zwei wichtigsten Städten des Dritten Reichs gewesen - und damit ein verlängerter Arm von Reinhard Heydrich. Zunächst zu Kriegsbeginn in Wien und dann bis Kriegsende in Berlin war er Führer des SD-Leitabschnitts und somit lokaler Geheimdienstchef und Anführer einer Nazi-Eliteeinheit. Der SD war zuständig für die Informationssammlung über alle nur erdenklichen politischen Gegner, hat die Gestapo ideologisch und antisemitisch geschult und nicht nur dadurch maßgeblich zur Vorbereitung und Umsetzung der Judenverfolgung beigetragen. Der SD war aber auch ein innerparteilicher Geheimdienst, der auf Linientreue in der NSDAP achtete.

1941 hatte sich Polte als Wiener SD-Geheimdienst-Chef mit dem Gauleiter von Wien Baldur von Schirach angelegt und versucht, an persönliche Korrespondenz Schirachs zu gelangen. Schirach reagierte mit einer einzigartigen Machtdemonstration und erteilte Polte einen Gauverweis. Der SD-Chef musste Wien verlassen. Mit Beginn des Jugoslawien-Feldzugs wurde Polte nach Belgrad abkommandiert. Dort war er für rund vier Monate Vizechef der Einsatzgruppe Serbien und somit eine Art Vizechef der Gestapo. Einige Jahre später, wenige Monate nach Kriegsende wurde er von britischen Einheiten gefasst, an Jugoslawien ausgeliefert und von einem Militärgericht zum Tod durch Erhängen verurteilt.

Erst rund 10 Jahre später, Mitte der 1950er Jahre, haben seine vier Kinder erfahren, dass ihr geliebter "Vati", für dessen Heimkehr sie gebetet hatten, längst nicht mehr am Leben war. Warum haben ihre Mutter und die Großeltern den Kindern seinen Tod verschwiegen? War es aus Scham oder aus Angst vor Konsequenzen? War es ein gut gemeintes Schweigen zum Schutz der Kinder? Was hatte der SS-Obersturmbannführer Polte verbrochen und welche Rolle hat er in der NS-Unterdrückungs-, Deportations- und Tötungs-Maschinerie gespielt? Diesen Fragen ist sein Enkel Bernt Koschuh nun in jahrelangen und zuletzt vertieften Recherchen nachgegangen. Er hat mit den Kindern von Polte gesprochen und mit weiteren Enkelinnen und Enkeln. Sie alle wurden - wenn auch auf unterschiedliche Weise - von Poltes nationalsozialistischer Vergangenheit und dem beharrlichen Schweigen um seinen Tod geprägt.

Ton: Elmar Peinelt, Christian Gorz, Robert Pavlecka
Musik: Azzi Finder und Erich Steinkogler
SprecherInnen: Elisabeth Findeis, Lilith Häßle, Claudius von Stolzmann, Jürgen Maurer, Raphael Sas, Eszter Hollosi
Redaktion: Eva Roither

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