Chesterton und die Rätsel Gottes

28. Mai 2024, 06:57

"Ob eine Religion gut ist, merkt man daran, ob man darüber auch Witze machen kann." Dieser Test des englischen Schriftstellers und Journalisten Gilbert Keith Chesterton überzeugt mich sehr. Dabei war ihm Religion sehr wichtig, und er konnte auch gut darüber streiten. Als "Raufbold Christi" hat ihn der österreichische Schriftsteller und Kritiker Franz Blei einmal bezeichnet.

In seiner Autobiografie schrieb Chesterton: "Man sollte meinen, Religionsfreiheit bedeute, dass jeder frei ist, über Religion zu diskutieren. In der Praxis bedeutet sie, dass kaum jemand Religion erwähnen darf." Chesterton war Religion wichtig, um die Menschen und die Welt zu verstehen, denn dazu genügte ihm der Rationalismus seiner Zeitgenossen nicht. "Glück ist ein Geheimnis wie der Glaube. Man sollte es nie erklären", hielt Chesterton einmal fest. Und es gibt noch so einen Satz von ihm, der mir immer wieder einfällt: "Das Zentrum der Existenz eines jeden Menschen ist ein Traum."

Immer wieder irritiert mich Chesterton - zum Beispiel, wenn er Oscar Wilde attackiert, der die antike Maxime carpe diem - pflücke den Tag - propagiert, denn dieses Auskosten eines jeden Tages ist auch mir wichtig. Chesterton hält dem entgegen: "Aber das ist nicht die Religion glücklicher, sondern höchst unglücklicher Menschen. Große Fröhlichkeit sammelt nicht die Rosenknospen, derer sie habhaft werden kann; ihre Augen hängen fest an der unsterblichen Rose, die Dante sah."

Über diese Perspektive, die er in seinem Buch "Ketzer" formuliert hat, würde ich gerne mit Chesterton diskutieren. Ich bin nämlich oft schon sehr froh über die Rosenknospen, die mich ein einziger Tag finden lässt. Was ich aber an Chesterton mag: Im Unterschied zu vielen religiösen Menschen weiß er nicht zu viel über die Menschen und die Welt. In seiner Einleitung zum Buch Hiob schreibt er: "Die Rätsel Gottes sind befriedigender als die Lösungen der Menschen."

Service

Gilbert Keith Chesterton, "Pater Brown. Die besten Geschichten", Anaconda Verlag 2024
"Pater Brown - Tod und Amen. Alle Fälle in einem Band", Kampa Verlag 2022
"Die besten Pater-Brown-Geschichten", Reclam Verlag 2021
"Der Mann, der zu viel wusste. Kriminalgeschichten", Manesse Verlag 2011
"Der Mann, der Donnerstag war", Hofenberg 2017
"Orthodoxie. Eine Handreichung für die Ungläubigen", Fe-Medienverlag 2011
"Verteidigung des Unsinns", Europäischer Literaturverlag 2012
"Hl. Franziskus von Assisi", Media Maria 2014
"Thomas von Aquin", Credo Medien 2023

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