Zwischenruf

Die Schönheit der Tradition feiern

Claudia Prutscher, Vizepräsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, zum jüdischen Fest Schawuot

Heute möchte ich über ein besonderes Fest im jüdischen Kalender sprechen: Schawuot. Für mich und viele andere Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt ist dieses Fest von großer Bedeutung.

Historisch gesehen ist es ein Erntedankfest, bei dem die ersten Früchte des Jahres, insbesondere Weizen, als Opfergaben in den Tempel gebracht wurden. Doch für uns Jüdinnen und Juden hat es eine noch tiefere, religiöse Bedeutung: Es erinnert an den Tag, an dem das Volk Israel die Tora am Berg Sinai, das sind die fünf Bücher Mose, empfangen hat. Dieser Moment, die Übergabe der Tora, gilt als einer der entscheidendsten in unserer Geschichte. Es ist der Moment, in dem wir unsere Gesetze und Traditionen erhielten, die bis heute unser Leben prägen.

Die Traditionen zu Schawuot sind vielfältig und reich an Bedeutung. Eine der wichtigsten ist das nächtliche Studieren der Tora. In dieser Nacht verbringen viele Gläubige die Zeit damit, heilige Texte zu lesen und zu diskutieren, um die Übergabe der Tora zu ehren. Es ist eine Nacht des Lernens und der Gemeinschaft.

Eine weitere schöne Tradition ist das Essen von Milchprodukten. Beliebt sind Topfentorten oder Blitzes, das sind kleine Palatschinken mit Topfen gefüllt, auch Eiscreme wird gereicht. Eine der Erklärungen dafür ist, dass die Israeliten nach dem Erhalt der Tora und ihrer Speisegesetze ihre Küchen erst koscher machen mussten und daher zunächst milchhaltige Speisen aßen.

Auch der Blumenschmuck spielt eine große Rolle. Viele jüdische Gemeinden und Haushalte schmücken ihre Synagogen und Häuser mit Blumen und Grünpflanzen, was daran erinnert, dass der Berg Sinai beim Empfang der Tora in voller Blüte stand. Es ist ein Symbol für die Frische und Lebendigkeit der Tora, die immer wieder neu inspiriert.

Während Schawuot werden spezielle Gebete und Hymnen rezitiert. Besonders bedeutend ist das Akdamut, ein liturgisches Gedicht in aramäischer Sprache, das vor der Lesung der Tora vorgetragen wird. Auch das Buch Ruth wird öffentlich gelesen. Diese Geschichte spielt in der Zeit der Getreideernte und behandelt wichtige Themen wie Hingabe und Loyalität.

Schawuot wird von Jüdinnen und Juden weltweit gefeiert, und obwohl die Bräuche je nach Gemeinde unterschiedlich sein können, verbindet alle der gemeinsame Kern dieses Festes: die Erinnerung an die Gabe der Tora und die Dankbarkeit für die ersten Früchte der Ernte.

In der aktuellen, schwierigen Situation in Israel, mit all den politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, ist Schawuot ein Moment, um innezuhalten und über gemeinsame Wurzeln und Werte nachzudenken. Die Tora, die wir an Schawuot feiern, hat unser Volk über Jahrtausende hinweg geeint und geleitet. Heute, mehr denn je, kann die Weisheit der Tora helfen, Wege zu finden, um die tiefen Gräben zu überbrücken und unsere Gemeinschaft zu stärken.

Für mich persönlich ist Schawuot eine Zeit der Reflexion und des Lernens. Es ist eine Gelegenheit innezuhalten und die tiefen Wurzeln unserer Tradition zu würdigen. Es ist eine Zeit, in der ich mich mit meiner Gemeinschaft verbinde und die Weisheit der Tora feiere, die Jüdinnen und Juden seit Generationen leitet.

Ich hoffe, dass ich einen kleinen Einblick in die Bedeutung und die Schönheit von Schawuot geben konnte. Möge dieses Fest alle inspirieren, gemeinsam zu lernen und zu wachsen, besonders in diesen Zeiten der extremen Herausforderung.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Thomas Lupo
Album: BIRDS ON FIRE - JÜDISCHE MUSIK FÜR GAMBENENSEMBLE
Titel: Fantasia < Air > in 4 parts Nr.5 - für Gambenensemble
Ausführende: Fretwork
Ausführender/Ausführende: Wendy Gillespie /Gambe
Ausführender/Ausführende: Asako Morikawa /Gambe
Ausführender/Ausführende: Susanne Pell /Gambe
Ausführender/Ausführende: Richard Boothby /Gambe
Ausführender/Ausführende: Richard Tunnicliffe /Gambe
Ausführender/Ausführende: Richard Campbell /Gambe
Länge: 02:01 min
Label: harmonia mundi HMU 907478

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