Fußball schauen

1. Juli 2024, 06:57

Seit 35 Jahren schaue und spiele ich Fußball. Schauen kann ich besser. Meine Familie akzeptiert die Hingabe, auch das Österreich-Trikot und kommt sogar mit ins Stadion, wo wir dann schreien und hüpfen und alles andere idiotisch fänden. Das sind intime Momente. Wir genieren uns nicht.

Meine Skrupel jetzt gerade sind deutlich größer, denn die literarische Trefferquote ist beschämend. Neun von zehn schöngeistigen Abhandlungen über kulturelle, ästhetische oder poetische Aspekte des Sports sind reiner Unfug. Essays über Fußball misslingen in der Regel fürchterlich und stellen ihre Autor:innen als klassistische Dampfplauderer bloß. Die Romanform verlängert das Leid meist unnötig. Neben "Fever Pitch" von Nick Hornby hat mich eigentlich nur Jean-Philippe Toussaints "Football" so richtig berührt.

Bedeutungsgehubere über Fußballbegeisterung, das kann kaum jemand erträglich stilisieren. Und ich will es erst gar nicht versuchen. Aber mein Herz hängt an diesem Spiel, so viel kann ich sagen. Zwei Phänomene haben den kleinen Hosea mit der Erwachsenenwelt versöhnt. Weihnachten und Fußball. Man stellt einen Baum mitten ins Zimmer und schmückt ihn mit Glitzerzeug, dieses Konzept hat mir auf Anhieb eingeleuchtet. Schön anziehen, nett zueinander sein, lang aufbleiben, Kekse und Geschenke - vielleicht kapieren die Erwachsenen ja doch, worum es im Leben geht.

Und dann ist da ja noch dieses Spiel. Ausgewachsene Menschen spielen Ball, mit all ihrer Kraft, rennen, schreien, rotzen. Es ist vollkommen sinnlos, totale Zeitverschwendung und trotzdem nehmen wir es irrsinnig ernst. Wie schön dieses Leben doch sein kann.

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