Timm Ulrichs

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Radiokolleg

Positionen in der Kunst (1)

Timm Ulrichs - "Ich kann keine Kunst mehr sehen!"

Wie verändert Kunst unsere Sicht auf die Welt? Wie interagieren Künstler:innen mit der Welt? Was sind die künstlerischen Ausdrucksformen des 20. und 21. Jahrhunderts? Positionen in der Kunst ist eine Sammlung an Positionen, genreübergreifend und ihrer Zeit voraus.

Das berühmteste Werk des Konzeptkünstlers Timm Ulrichs ist eine Performance aus dem Jahr 1975: Da defilierte er mit Brille, Blindenstock und einer gelben Armbinde über die Art Cologne und hielt ein Schild mit einer Aufschrift hoch: "Ich kann keine Kunst mehr sehen!". Mit dieser provokanten Darbietung kritisierte er den Kunstmarkt und dessen Kommerzialisierung und warf zudem, im Hinblick auf die eigene Profession, einen selbstironischen Blick auf das Künstler-Ich.

Timm Ulrichs, 1940 in Berlin geboren, bezeichnete sich einst als "zu Unrecht verkanntes Genie aus Hannover" - dort hatte er in den 1960er Jahren Architektur studiert. Auch wenn in dieser Formulierung Ironie mitschwingen mag, ist sie doch Bestandsaufnahme einer Vita, die, trotz zahlreicher Aktivitäten an der vordersten Front der konzeptuellen Avantgarde, nie zu Ruhm und allgemeiner 'name recognition' führte: Timm Ulrichs, der sich früh als freier Künstler deklarierte und als Eisverkäufer und Tellerwäscher jobben musste, um seinen Lebensunterhalten bestreiten zu können. "Künstler wird man durch Entschluss, nicht durch Talent", sagte er einmal in einem Interview.

Bereits 1961 gründete Ulrichs eine "Werbezentrale für Totalkunst & Banalismus" mit "Zimmer-Galerie & Zimmer-Theater". Im gleichen Jahr erklärte er sich zum "ersten lebenden Kunstwerk", später organisierte er eine öffentliche "Selbstausstellung" in Frankfurt am Main. 1969 kam eine "Kunstpraxis (Sprechstunden nach Vereinbarung)" dazu. Da Ulrichs mit Galeristen nicht zurechtkam, verkaufte er Plakate, Postkarten, Flugblätter und Drucksachen selbst. Die Anerkennung für den zwischen Scherz, Satire und tieferer Bedeutung operierenden selbst ernannten neodadaistischen Totalkünstler kam spät: 2010 veranstalteten das Sprengel Museum und der Kunstverein Hannover eine große Retrospektive mit dem für ihn signifikanten Titel: "Betreten der Ausstellung verboten."

Heute gilt Timm Ulrichs als Vorreiter einer institutionskritischen Konzeptkunst und einer Body Art, die mit radikalen Mitteln grundsätzliche existentielle Fragen formuliert: 1981 ließ er sich auf sein rechtes Augenlid die Worte "The End" tätowieren - der Abspann für den ultimativ letzten Film.

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