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Gedanken für den Tag
Erich Kästner über die Begeisterungsfähigkeit
Michael Hammerschmid, Kinderbuchautor, zum 50. Todestag von Erich Kästner
23. Juli 2024, 06:57
Erich Kästner ist ein Autor, dessen Bücher als Plädoyers gelesen werden können. Als Plädoyers für jene Tugenden, die den Menschen in seinen Augen erst zu einem solchen machen. Zur vielleicht größten Tugend, die vor allem seine Kinderbücher vermitteln, zählt die kindliche Begeisterungsfähigkeit füreinander. So wenden sich Pünktchen und Anton im gleichnamigen Kinderroman euphorisch einander zu. Und zwischen Emil und der großen Rotte an Kindern, auf die er trifft, als er jenen Mann verfolgt, der ihn im Zug ausgeraubt hat, da springt der Funke der Solidarität zwischen den Kindern sofort über.
Begeisterte Zuneigung ist der Kitt des Erich Kästner'schen Erzählens. Er lässt sie zwischen Kindern und Kindern, und Erwachsenen und zwischen Erwachsenen entstehen. Es sind die Beziehungen, die ihn interessieren. Sie machen die Substanz seiner Kinderbücher aus, in denen Tugenden wie Freundschaft, Verbindlichkeit, Mut und Treue die Welt zusammenhalten.
Abseits der Kinderbücher, etwa in seinem Roman "Fabian" oder in seinen Gedichten, tritt freilich eine ganz andere Welt hervor. Sie ist voll menschlicher Schwäche und moralischer Verkommenheit und wird vom ironischen Satiriker Kästner mit unnahbarem Hohn gegeißelt:
Im ganzen Lande wütet die Seuche!
Es ist nicht der Typhus. Es ist der Humor.
Die Leute lieben gewesene Bräuche
und tragen falsche Bärte und Bäuche
und spiegeln den Spiegeln was vor.
Sie ducken sich unter geborgte Perücken,
damit das Schicksal sie nicht erkennt.
Sie suchen sich laut beiseitezudrücken.
Sie schminken die Sorge auf ihren Rücken
und lachen mit fremdem Akzent.
Lauten etwa die ersten beiden Strophen des Gedichts "Karneval der Mißvergnügen". Aus solch verlogener Selbstbespiegelungsmechanik scheint es kein Entrinnen zu geben. Oder vielleicht doch? In den Kinderbüchern.
Service
Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Georg Haentzschel 1907 - 1993
Album: GEORG HAENTZSCHEL / FILMMUSIK
* Emil und die Detektive / Thema a.d.gln.Film (00:03:22)
Titel: Klingendes Filmfestival / Kurz-Suite in 3 Sätzen
Orchester: Kölner Rundfunkorchester
Leitung: Emmerich Smola
Länge: 03:22 min
Label: Capriccio 10400