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Gedanken für den Tag
Haltung und Hoffnung: Die Aufgabe des Schriftstellers
Brigitte Schwens-Harrant, Literaturkritikerin, Buchautorin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "Die Furche", zum 100. Geburtstag von James Baldwin
3. August 2024, 06:57
"Ich will ein aufrichtiger Mensch sein und ein guter Schriftsteller", hält James Baldwin einmal fest. Der 1924 geborene afroamerikanische Autor und Bürgerrechtler ist zu seiner Zeit eine öffentliche Person, er tritt im Fernsehen auf, diskutiert leidenschaftlich, erhebt, wo er nur kann, sein Wort gegen Rassismus und Diskriminierungen.
Vom öffentlichen Auftreten und Engagement unterscheidet er das schriftstellerische Tun. 1984 sagt er in einem Interview: "Auf der öffentlichen Bühne oder im Fernsehen. (.) Das ist das Gegenteil von dem, was man an der Schreibmaschine macht, wo man gar nichts weiß. Und man muss wissen, dass man es nicht weiß. In dem Moment, in dem man die Persona zur Schreibmaschine trägt, ist man am Ende."
Alle fühlten sich ohnehin informiert und suchten bloß Informationen, die ihre Haltungen bestätigen, entweder für oder gegen ihre Meinung: Diese Einschätzung Baldwins klingt erstaunlich aktuell. Zu den Aufgaben des Schriftstellers aber gehöre es "Haltungen zu hinterfragen, unter die Oberfläche zu blicken, die Quelle zu erkunden."
Als Zeuge versteht er sich, wenn er etwa die Südstaaten bereist und in Essays Kunde gibt vom unglaublichen Ausmaß des Kummers. Doch auch seine Literatur bezeugt. Es gelte, Leben zu beobachten, Kultur zu beschreiben, äußere Bedingungen und innere Vorgänge, statt Stereotype weiterzuschreiben und zu verfestigen. Seine Romane sind keine eindeutigen Statements gegen den Rassismus, wie er sie in Vorträgen äußert, wo Deutlichkeit und Positionierung gefragt sind, aber sie zeichnen diverse Leben, die von diesem geprägt sind. In seinen Schriften aber zeigen sich dieser Glaube und diese Hoffnung immer wieder: "Ich glaube, dass Menschen besser sein können als angenommen, und ich glaube, dass Menschen besser sein können, als sie sind."
Service
James Baldwin, "Von einem Sohn dieses Landes". "Notes of a Native Son". Essays, dtv 2022 ("Notes of a Native Son", 1955)
James Baldwin, "Kein Name bleibt ihm weit und breit", dtv 2024 ("No Name in the Street", 1972)
James Baldwin, "Nach der Flut das Feuer". "The Fire Next Time", dtv 2019 ("The Fire Next Time", 1963)
James Baldwin, "Ich weiß, wovon ich spreche. Ein Leben in Gesprächen", Zusammengestellt von Lena Riebl und Sarah Altenaichinger, Kampa Verlag 2024
René Aguigah, "James Baldwin. Der Zeuge. Ein Porträt". C.H. Beck 2024
"I Am Not Your Negro". Ein Film von Raoul Peck. Nach einem Text von James Baldwin. 2016
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Travis Scott
Titel: Goosebumps [Clean]
DB: HITDISC HP201650
Solist/Solistin: Travis Scott
Länge: 03:30 min
Label: Epic Promo