Gedanken für den Tag

"Bleiben Sie auf hoher See!"

Manuela Tomic, Journalistin und Autorin, zum 100. Todestag von Joseph Conrad

"Ich habe angefangen auf Englisch zu denken, lange bevor ich die bloß gesprochene Sprache gemeistert hatte - vom Stil will ich nicht reden (den habe ich noch immer nicht gemeistert)." Das schrieb der polnisch-britische Schriftsteller Joseph Conrad 1918 in einem Brief an den Romancier Hugh Walpole. Conrad erzählt, er müsse sich der englischen Sprache nicht fügen, sondern werde von ihrem Genius adoptiert. Als Kind liest der gebürtige Pole heimische Literatur. Sein Vater übersetzt viele Klassiker ins Polnische. Mit 16 Jahren geht Conrad nach Marseille, um Seemann zu werden. 1878 kommt er nach Großbritannien, zehn Jahre später erhält er die britische Staatsbürgerschaft und wird Kapitän der "Otago". Er beginnt, seine Erfahrungen auf See aufzuschreiben und wird zu einem der einflussreichsten Schriftsteller Großbritanniens, obwohl er erst mit 19 Jahren Englisch lernt. Neben Englisch und Polnisch beherrschte Conrad auch Französisch. Dennoch behauptete er, nicht zwischen den Sprachen zu schwanken. Trotz hoher Literatur wird er nicht seekrank.

Ist es möglich, im Hafen einer fremden Sprache anzukommen? Kann man seine Muttersprache auf hoher See zurücklassen? Die 1988 in Sarajevo geborene Journalistin (Die Furche) und Schriftstellerin Manuela Tomic nähert sich Conrads Denken, Reisen und Schreiben in der vermeintlich fremden Sprache schlaglichtartig. Im Frühjahr erschienen ihre autobiografischen Prosaminiaturen: "Zehnfingermärchen".

Service

Manuela Tomic, "Zehnfingermärchen", Wieser Verlag

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