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Dimensionen
Rebsorten-Renaissance: Weinbau im Klimawandel
Heinisch, Weiss, Furmint, weißer Ebling: Kaum jemand kennt diese Weinsorten. Und doch waren sie vor Jahrhunderten im Burgenland heimisch. Viele waren allerdings nicht so widerstandsfähig gegen Mehltau und Reblaus, teils aufwändiger zu züchten als heutige Rebsorten. Ein Weinbauer aus Eisenstadt setzt sich für die Wiederentdeckung der alten Sorten ein und füllt bereits kleine Mengen davon ab. Denn der Klimawandel wird den Weinanbau ohnedies verändern. Wird man also in Österreich zukünftig andere Weine trinken?
19. August 2024, 19:05
Wenn Franz Xaver Lehner über seine Terrasse in die Ferne blickt, sieht er bei Schönwetter den Fernsehturm von Sopron. Als seine Eltern noch lebten, war sein Haus ein beliebtes Schenkhaus, wie man im Burgenland zu einer Buschenschank sagt. Es liegt am Oberberg von Eisenstadt, unweit der Bergkirche. Am Ende der Terrasse beginnt Lehners Weingarten, der sanft abfällt zur weiten Ebene dahinter. Hier hat er 180 Rebstöcke, die er hegt und pflegt, jeden als Einzelstück. An ihnen betreibt der Weinbauer, der bis zu seiner Pensionierung beim Landeselektrizitätsunternehmen Bewag gearbeitet hat, seine Forschungen.
In seiner Pension studierte er an der Universität für Bodenkultur Önologie und Weinwirtschaft und holt heute nicht mehr bekannte Weine aus der Vergessenheit: "Alter Wein in neuen Schläuchen" - das hört er nicht gern. Denn seine Weine sind nicht alt, sondern die Sorten sind es, präzisiert er.
Lehner stellt ein paar Flaschen und Gläser auf den Tisch, schenkt ein: Der Heunisch Weiß ist der Casanova unter den Rebsorten, sagt er und skizziert deren verästelte Stammbäume. Er erzählt von Enkeln und Elternteilen einzelner Rebsorten. Die Weine sind Lehners Familie. Leicht und fruchtig ist der Heunisch Weiß. Angeblich sollen ihn die Hunnen mitgebracht haben. Karl der Große habe ihn verboten, weil er die fränkischen Weine bevorzugte.
Und so ist das Burgenland traditionell von französischen Sorten dominiert. Die anderen gerieten in Vergessenheit, von denen Franz Xaver Lehnen über jede einzelne Geschichten zu erzählen weiß. Den Weißen Ebling hätten die Römer nach Germanien gebracht. Es waren Sorten, die mehr Pflege als andere benötigten, gegen neue Gefahren wie Mehltau und Reblaus weniger widerstandsfähig waren als andere - und darum von pflegeleichteren Sorten verdrängt wurden. Doch auch der Klimawandel könnte ihnen zu einer Renaissance verhelfen.
Lehner kämpft für "seine" alten Sorten, die autochthonen, bodenständigen, die einmal hier heimisch waren. Der Chardonnay ist es nicht, selbst der Veltliner kam einst aus Nordtirol. Mittlerweile halten die alten Sorten schon zögernd Einzug in der Gastronomie des Burgenlands, wo heute der Blaufränkische dominiert.
Lehner öffnet eine neue Flasche, darin befindet sich die wohl bekannteste autochthone Rebsorte: der Furmint. Ihn habe sicher Joseph Haydn getrunken, ist Lehner überzeugt. Kürzlich hat er sogar eine Goldmedaille beim Wine Award International für diesen Wein erhalten. Säurebetont ist er und geeignet für die Prädikatsweinproduktion, sagt der Weinbauer der Spezialitäten.
Das Burgenland war früher eine Weißweingegend - und so könnte es wieder werden, da die zunehmende Trockenheit wärmeresistenten autochthonen Arten entgegenkommt. Eine Chance für den Furmint. Er kann sich besser an die sich verändernden Verhältnisse anpassen als andere Weißweine, auch wenn ihn Lehner als "Diva im Weingarten" bezeichnet.
Weißweine verlieren durch den Klimawandel an Säuregehalt und damit an Geschmack, ein Problem inzwischen des gesamten Seewinkels. Da bietet sich auch der Weiße Ebling an, der von sich aus schon weniger Säure hat.
Lehner ist so etwas wie ein Schrittmacher für die Winzer der Region, damit sie aus den gewohnten Bahnen ausscheren und Neues ausprobieren. Ohne Heunisch gäbe es keinen Chardonnay, gibt er zu bedenken und schaut von der Terrasse in die Ferne, Richtung Sopron. Als es noch Ödenburg hieß, galt es als das Bordeaux der Monarchie: Hier trafen sich die Weinhändler und tauschten sich aus. Da waren allerdings die Sorten, die Franz Xaver Lehner zu neuem Leben erwecken will, schon vergessen.
Gestaltung: Stefan May