Opernabend - Aus der Opéra National de Lyon

Giacomo Puccini: "La fanciulla del West"

Mit Chiara Isotton (Minnie), Claudio Sgura (Jack Rance), Riccardo Massi (Dick Johnson), Robert Lewis (Nick), Rafal Pawnuk (Ashby), Pete Thanapat (Jim Larkens), Thandiswa Mpongwana (Wokle), Valentin Thill (Joe), Pawel Trojak (Jack Wallace), Allen Boxer (Sonora) u.a.
Chor und Orchester der Opéra National de Lyon; Dirigent: Daniele Rustioni.
(aufgenommen am 15. März 2024 in der Opéra National de Lyon)

2024 jährt sich nicht nur der Geburtstag von Anton Bruckner zum 200. Mal und jener von Arnold Schönberg zum 150. Mal, die Musikwelt begeht auch ein Giacomo Puccini-Gedenkjahr: Vor 100 Jahren, im November 1924 ist der große italienische Opern-Meister in Brüssel verstorben. "La Boheme", "Tosca", "Madama Butterfly" und die unvollendet gebliebene "Turandot" sind zu Spielplanklassikern der Opernwelt geworden.

Andere Puccini-Opern werden dagegen seltener aufgeführt: die Trittico-Einakter, die als Operette geplante, dann Oper gewordene "La Rondine" - oder auch Puccinis Wild-West-Oper "La Fanciulla del West", ein Werk mit Schauplatz in einem kalifornischen Goldgräberlager und Minnie, einer Schankwirtin, zwischen zwei höchst unterschiedlichen Männern, der eine Bandit, der andere Sheriff.

1907, während eines Aufenthalts in New York anlässlich der Met-Erstaufführung der "Madama Butterfly", hatte Puccini das Drama "The Girl of the Golden West" von David Belasco gesehen. Der Komponist, des Englischen eher unkundig, hatte zwar wenig vom Text verstanden, war aber von den Situationen des Werks beeindruckt; spätestens nachdem er eine italienische Übersetzung des Schauspiels gelesen hatte, wollte er sich nur noch diesem Sujet für sein nächstes Bühnenopus widmen. Er war überzeugt, eine Oper zu komponieren, die den "Geist des amerikanischen Volkes widerspiegelt". David Belasco andererseits soll erklärt haben, dass es Puccini wie kaum ein anderer Europäer verstünde, die nationalen Eigentümlichkeiten Amerikas am wahrhaftigsten auszudrücken.

Im Dezember 1910 war es endlich soweit: In der Metropolitan Opera ging die Uraufführung der "La Fanciulla del West" über die Bühne- in Anwesenheit des Komponisten und mit einer wahrhaftigen Starbesetzung für damalige Opernzeiten. Minnie, das Mädchen aus dem Goldenen Westen, war Emmy Destinn, Sherriff Jack Rance wurde von Pasquale Amato gestaltet und der Bandit Dick Johnson war der legendäre Tenor Enrico Caruso. Arturo Toscanini, ein besonderer Förderer von Puccini, hat diese Uraufführung dirigiert. Und als szenischer Leiter der Produktion fungierte David Belasco, der Autor der literarischen Vorlage - was durchaus ungewöhnlich war: Oft waren Schriftsteller und Dramenautoren nicht begeistert, wenn ihre Werke als Vorlagen für Opern dienen sollten, Belasco hatte aber nichts dagegen einzuwenden. Möglicherweise war ihm bewusst, dass er zwar in seiner Heimat, als Hauptvertreter des amerikanischen Melodramas, berühmt war, nicht aber in Europa. Dank Puccini, der schon zuvor mit "Madame Butterfly" ein Belasco-Stück vertont hatte, ist aber auch dessen Name weltweit bekannt geworden - und Puccinis "Fanciulla" bei der Met-Weltpremiere soll Belasco auch sehr detailreich und fantasievoll als Spielleiter einstudiert haben.

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