Blutdruckmessung bei einer alten Dame

PICTUREDESK.COM/KEYSTONE/GEORGIOS KEFALAS

Punkt eins

Die Zukunft der Langzeitpflege und Care-Arbeit

Wohlfahrtspolitik in Europa unter Druck. Gäste: Kai Leichsenring, Direktor des European Centre for Social Welfare Policy and Research, Wien & Dr. theol. Ina Praetorius, Autorin, Wirtschaftsethikerin, evangelische Theologin. Moderation: Alexander Musik. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

"Bereits heute bleibt der Langzeitpflegebedarf vieler Menschen ungedeckt", heißt es in einer Aussendung der Europäischen Kommission: "Weil es keine Langzeitpflegedienste gibt oder das Bewusstsein dafür fehlt, der Sozialschutz für die Deckung der Pflegekosten zu gering und die Qualität der Pflege unzureichend ist. Im Jahr 2019 stand nur rund einem Viertel der Menschen mit großen Schwierigkeiten bei der Körperpflege oder Haushaltstätigkeiten häusliche Pflege zur Verfügung."

Für 2050 rechnet die Kommission mit 38,1 Mio. langzeitpflegebedürftigen Menschen - Ursachen hierfür sind alternde Gesellschaften, die gestiegene Lebenserwartung sowie die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen, die traditionelle Langzeitpflegemodelle untergraben - in der Regel informelle Modelle, die über Freunde und Verwandte funktionieren, unbezahlte, kostenlose Care-Arbeit.

"In Österreich sind knapp über 60.000 Arbeiter:innen in der 24-Stunden-Personenbetreuung tätig", heißt es in einem Forschungsbericht von Flavia Matei und Carina Meier von 2021: "Ca. 93% davon sind Frauen und fast alle Betreuer:innen (98.4%) kommen aus osteuropäischen Ländern wie Rumänien, Slowakei, Kroatien, Ungarn, Bulgarien, Polen, Tschechische Republik."

Wie ist Pflege in den verschiedenen EU-Ländern organisiert? Auf welche Weise und wo soll diese Pflege ausgeübt werden? Zu Hause oder in einer Einrichtung? Wer soll die Pflegenden bezahlen? Woher sollen sie kommen? Welchen Status sollen sie haben? Welche sozialen Absicherungen genießen? Und inwieweit soll das Engagement pflegender Angehöriger vergütet werden?

Eine vom Wiener European Centre for Social Welfare Policy and Research organisierte internationale Konferenz widmet sich am 26. und 27. September diesen Fragen. Anlass ist das 50-jährige Bestehen der Einrichtung mit der Aufgabe, Expertise zu sozialer Sicherung, Inklusion, Gesundheit und eben Pflege zu erbringen.

Kai Leichsenring, Direktor des European Center, erinnert sich an die Anfänge der Langzeitpflege in Österreich: "Vor 30 Jahren machte die österreichische Gesellschaft einen glücklichen Fund. Kurz davor war das Pflegegeld eingeführt worden und in der nächsten Umgebung gab es jetzt seit ein paar Jahren durchlässige Grenzen und Nachbarländer, wo Menschen arbeitslos waren bzw. mit ihren mageren Löhnen kaum überleben konnten", so Leichsenring: "Viele von ihnen konnten sogar Deutsch und wurden, anfangs vor allem von Menschen mit Behinderungen im Erwerbsalter, als persönliche Assistentinnen angeheuert und bezahlt - unangemeldet und unbürokratisch, aber natürlich fern jeglicher Legalität. (...) Die 24-Stunden-Betreuung war geboren."

Blickt die Konferenz auf das große Ganze, so schaut die Care-Ethikerin und Theologin Ina Praetorius auch auf die Begrifflichkeiten. "Oikonomia sei in der ursprünglichen Bedeutung nicht die Lehre von Markt und Geld", schreibt sie in dem Sammelband "Küchengespräche - Wer kocht, putzt, wäscht, tröstet?", "sei kein Handbuch zu Profit und Gewinn. Oikonomia war in der Antike die Theorie und Praxis des zweckmäßigen Haushaltens." Praetorius fordert, die ursprüngliche Bedeutung ernst zu nehmen, Care-Arbeit ins Zentrum des ökonomischen Denkens und Handelns zu rücken und ihr den Stellenwert zu geben, den sie verdiene. Denn kochen, putzen, waschen, trösten - und vieles mehr, all das sei Arbeit, nur eben unbezahlte.

Kai Leichsenring, Direktor des European Centre for Social Welfare Policy and Research, Wien und die Autorin, Wirtschaftsethikerin und Theologin Dr. Ina Praetorius sind Gäste bei Alexander Musik und wie immer sind Sie eingeladen, sich an der Sendung zu beteiligen. Kostenlos aus ganz Österreich können Sie uns unter 0800 22 69 79 erreichen; oder Sie schreiben uns ein Mail an punkteins(at)orf.at

Erzählen Sie uns Ihre Erfahrungen mit Care-Arbeit, mit 24-Stunden-Pflegediensten oder als pflegende Angehörige. Wie lässt sich Care-Arbeit gesellschaftlich attraktiver gestalten? Welche Beispiele aus dem In- und Ausland fallen Ihnen ein?

Service

Samuel Geiser, Heidi Kronenberg: "Küchengespräche - Wer kocht, putzt, wäscht und tröstet?", Rotpunktverlag Zürich 2024

Sendereihe

Gestaltung

  • Alexander Musik

Playlist

Urheber/Urheberin: Wolfgang Zamastil
Titel: Just enough to carre
Ausführender/Ausführende: Luna Lab (Wolfgang Zamastil und Angela Tröndle)
Länge: 04:27 min
Label: Sessionwork Records

Urheber/Urheberin: Terrell Kirk & Bob Dorough
Titel: Devil May Care
Ausführender/Ausführende: Diana Krall
Länge: 06:52 min
Label: Blue Note

Urheber/Urheberin: Nadia Mladjao & B. Carré
Titel: Take Care
Ausführender/Ausführende: Imany
Länge: 03:04 min
Label: Universal Music

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