Das große und das kleine Nein

27. September 2024, 06:57

Eine der wertvollsten Erfahrungen, die man einem jungen Menschen in seiner Kindheit und Jugend ermöglichen kann, ist die Entwicklung eines authentischen Selbstgefühls. Je klarer jemand von Beginn an seine Grenzen fühlen und kommunizieren darf, desto stärker wird sein gesundes Ich-Gefühl.

Neben meiner Arbeit als Schauspielerin habe ich vor vielen Jahren eine theaterpädagogische Ausbildung gemacht, es war ein Gewaltpräventionsprogramm mit dem Titel "Das große und das kleine Nein". Volksschulkindern sollte in dem interaktiven Theaterstück erfahrbar gemacht werden, wie sich ein Ja und ein Nein anfühlt. Ziel war es, dieses Ja- und Nein-Gefühl zu stärken.

Als "kleines Nein" wurde die Unlust vor dem Zähneputzen bezeichnet oder der Unwille, den Teller nach dem Essen zur Spüle zu tragen. Ein verhandelbares Nein also, ein Nein, das in Hinblick auf die eigene Gesundheit einer Abwandlung bedarf; ein Nein, das im Zusammenleben Veränderung braucht, damit Gemeinschaft gelingt. Als "großes Nein" hingegen gab es das Beispiel, dass jemand im Bus neben einem sitzt, der unangenehm nah rückt oder der intensive Blickkontakt eines Fremden, bei dem das Kind sofort ein komisches Gefühl hat - dieses sollte klar als großes Nein erkannt werden, nicht verhandelbar.

Jahre später ist dann das Nein eines Teenagers etwas anders gelagert. Ich erinnere mich gut, dass mir damals das ablehnende Nein meines nun 18-jährigen Sohnes nah gegangen ist, immer wieder muss man sich da vor Augen führen, dass das Nein eines Pubertierenden gegenüber den Eltern ein Ja zu sich selbst ist. Der Teenager entwickelt seine eigene Identität, indem er sich barsch von den anderen abgrenzt.

Wir alle sind als Erwachsene täglich viele Male in Situationen, in denen wir zwischen großen und kleinen Neins, freudigen und wackeligen Jas differenzieren müssen und wenn wir ehrlich sind, ist das gar nicht immer so eindeutig.

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