Wasserschaden

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Punkt eins

Gute Zeiten für Schimmelpilze

Nach dem Hochwasser droht der Schimmel. Gäste: Mag. Dr. Priv.-Doz. Martin Kirchmair, Institut für Mikrobiologie, Universität Innsbruck & Martin Mostböck, Sachverständiger für Schimmelschäden und Schimmelvermeidung. Moderation: Alexander Musik. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Es ist schwer zu ermitteln, wie viele Keller und Häuser nach den Unwettern der vergangenen Wochen in Österreich unter Wasser gestanden sind. Fest steht: Um dort Schimmelbildung zu vermeiden, müssen sie so schnell wie möglich geräumt und getrocknet werden.

Denn Schimmelpilze wachsen rasch und wuchern in allen Farben; jede der 200 in Europa verbreiteten Schimmelarten hat ihre eigenen Merkmale. "Schimmelpilze benötigen zum Wachstum Nährstoffe und Feuchtigkeit. Da in Gebäuden Nährstoffe in mehr oder weniger gut verfügbarer Form vorhanden sind, kommt der Feuchtigkeit eine ausschlaggebende Bedeutung zu", heißt es im "Schimmelpilzsanierungs-Leitfaden" des deutschen Umweltbundesamts - zumal nach einer Hochwasser-Katastrophe, wie sie weite Teile des Landes jetzt betroffen hat.

Dennoch: Vor Schimmelpilzen müsse man keine Panik haben, sagt der Innsbrucker Mikrobiologe Martin Kirchmair. Denn sie sind überall, verbreiten sich mithilfe von Milliarden von Sporen durch die Luft, und mit jedem Atemzug nehmen wir Menschen Tausende davon auf. Für Menschen mit geschwächtem Immunsystem und Allergiker:innen können Schimmelpilz-Sporen gleichwohl gesundheitsgefährdend wirken.

"Bei der Schimmelpilz-Forschung hinken wir im Vergleich zu anderen Umweltallergien, etwa gegen Pollen, ziemlich hinterher", bemerkt dazu Monika Raulf vom Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Ruhr-Universität Bochum in einem Zeitungsinterview mit der Tageszeitung Der Standard: Die Forschung sei mühseliger als bei anderen Umweltkrankheiten. "Zum einen ist der Nachweis von Schimmelpilzen viel aufwendiger als von Pollen. Und es ist auch nicht so einfach, einen Zusammenhang zwischen den Schimmelpilzen und Beschwerden herzustellen", so Raulf.

Schimmel ist also so allgegenwärtig wie seine Wirkungen verschiedenartig sind: Mit Schimmel-Kulturen beimpfte Käse entwickeln subtile Aromen und als Wirkstoff in der pharmazeutischen Forschung spielen bestimmte Schimmelpilze eine große Rolle - etwa bei der Entwicklung von Antibiotika. Andererseits können Schimmelpilze Lebensmittel verderben und zum Verzehr ungeeignet machen. Bestes Beispiel: Brotschimmel. Hier genügt es nicht, den befallenen Teil zu entfernen, denn das Pilz-Myzel hat sich längst im ganzen Laib verbreitet.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) verweist in diesem Zusammenhang besonders auf Aflatoxine: "Das sind Mykotoxine, die von zwei Schimmelpilzarten der Gattung Aspergillus gebildet werden, die vor allem in Regionen mit feucht-warmem Klima anzutreffen sind. Es wird erwartet, dass sich der Klimawandel auf das Vorhandensein von Aflatoxinen in Lebensmitteln in Europa auswirken wird. Da Aflatoxine nachweislich genotoxisch und karzinogen wirken, sollte ihre Aufnahme über Lebensmittel so niedrig wie möglich gehalten werden. Aflatoxine können aufgrund eines vor oder nach der Ernte auftretenden Pilzbefalls bei Erdnüssen, Baumnüssen, Mais, Reis, Feigen und anderen getrockneten Früchten, Gewürzen, rohen pflanzlichen Ölen und Kakaobohnen auftreten."

Weniger dramatisch, aber dafür viel häufiger ist Schimmel in Häusern und Wohnungen: Immer wieder kommt es zu Streitfällen zwischen Mietern und Vermietern: Ist der Schimmelbefall die Folge von mangelhaftem Lüften? Oder sind die Räumlichkeiten zum Wohnen schlicht ungeeignet, zum Beispiel, weil Wärmedämmmaßnahmen unprofessionell durchgeführt oder Isolierglasfenster so eingesetzt wurden, dass die natürliche Luftzirkulation, die bei klassischen Altbaufenstern Schimmelbildung in Wohnräumen noch verhindert hat, unterbunden wurde?

Wie auch immer: Mit alarmistischen Schlagzeilen zu Gesundheitsgefahren durch Schimmelpilze lässt sich viel Angst und Schrecken in der Bevölkerung verbreiten. Daher sei es auch sein zentrales Anliegen, auf einer Schimmelbaustelle erst einmal "emotionale Deeskalation" zu betreiben, sagt der Wiener Schimmel-Sachverständige Martin Mostböck.

Alexander Musik spricht mit Mag. Dr. Priv.-Doz. Martin Kirchmair vom Institut für Mikrobiologie der Universität Innsbruck und Martin Mostböck, Sachverständiger für Schimmelschäden und Schimmelvermeidung.

Wie immer sind Sie eingeladen, sich an der Sendung zu beteiligen. Kostenlos aus ganz Österreich können Sie uns unter 0800 22 69 79 erreichen; oder Sie schreiben uns ein Mail an punkteins(at)orf.at

Haben Sie schon mit Schimmelbefall in Ihren Wohnräumen oder im Keller Ihres Hauses zu tun gehabt? Wie halten Sie es mit dem Lüften der Wohnung oder des Hauses? Mit welchen Maßnahmen haben Sie versucht, Schimmel zu bekämpfen?

Sendereihe

Gestaltung

  • Alexander Musik

Playlist

Untertitel: Lieutenant Pigeon, Woodward & Fletcher
Titel: Mouldy Old Dough
Ausführende: Lieutenant Pigeon
Länge: 02:47 min
Label: Universal

Untertitel: Parker Griggs
Titel: The Mould
Ausführende: El Perro
Länge: 03:59 min
Label: Warner

Untertitel: Daniel J Keithan
Titel: Fungus
Ausführende: Play Some Tapes
Länge: 01:22 min
Label: Self Served Records

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