"Autostrada Del Sole", 1962

AP

Radiokolleg

100 Jahre Autobahn (1)

Schwierige Anfänge, gewaltsame Kahlschläge

Vor hundert Jahren wurde bei Mailand die erste Autobahn der Welt eröffnet. Das Radiokolleg beleuchtet die wechselhafte Geschichte der Automobilkultur und der Straße. Vor dem ersten Weltkrieg war man von Aufbruchsstimmung allerdings noch weit entfernt: die Automobilkultur steckte in den Kinderschuhen und die Zustände wirken retrospektiv gar unglaublich und wenig rosig: Das Automobil war allgemein unbeliebt. Erst in der Zwischenkriegszeit wurden Autobahn und Rennfahrer in Italien und Deutschland zu staatlichen Helden gemacht. In der "goldenen Ära" ab den 1960er-Jahren konnte sich dann fast jeder und jede ein Auto leisten - samt Italienausflug. Mittlerweile hat sich in Sachen Automobilkultur viel verändert: Dank Klimakrise betrachtet man das Thema Mobilität aktuell kritisch. Wie kann die Mobilität von morgen aussehen, Stichwort: Mobilitätswende?

Lange bevor das Automobil ein begehrtes Objekt und Freiheitsversprechen für "jedermann" wurde, konnten es sich nur wenige, nämlich die reichen Menschen, überhaupt leisten. Die rücksichtslos durch Dörfer und Arbeiterbezirke rasenden "Herrenfahrer" erregten sogar Hass und nicht selten handgreiflichen Widerstand. Dieser große Unwille gegen die Automobilkultur wurde in Europa nur aufgrund der faschistischen Diktaturen zuerst in Italien und später in Deutschland überwunden. Die Folgen prägen Europa bis heute: So wurde die erste Autostrada in Italien als Eliteprojekt und Symbol der Freiheit gefeiert - obwohl noch kaum jemand ein Auto besaß. Aber nicht nur die Herrenfahrer, sondern auch die Industrie und Militärs wünschten sich eine nationale Autoindustrie und dazugehörige Schnellstraßen und Autobahnen. Dabei wurde die Verbindung von Männlichkeit und dem Automobil gezielt kreiert: Der Siegeszug der Autobahnen, ihrer "Auto-Helden" und dem Faschismus gingen in Europa Hand in Hand.
Gestaltung: Kilian Jörg, Conrad Kunze

Service

Radiokolleg-Podcast

Bernhard Knierim: Ohne Auto leben: Handbuch für den Verkehrsalltag, pro Media Verlag 2016
Simon Gogl: Laying the Foundations of Occupation: Organization Todt and the German Construction
Industry in Occupied Norway, de Gruyter, Berlin/Boston 2020
Bruno Schernhammer: Und alle winkten im Schatten der Autobahn, Wien 2023.
Anselm Jappe, Beton: Massenkonstruktionswaffe des Kapitalismus, Wien 2024
Conrad Kunze: Deutschland als Autobahn, Transcript Verlag 2022.
Klaus Gietinger: Vollbremsung. Warum das Auto keine Zukunft hat und wir trotzdem weiterkommen, Frankfurt a.M., Westend 2019
Christian Scherf, Andreas Knie, Lisa Ruhrort: Erloschene Liebe? Das Auto in der Verkehrswende, Transcript Verlag 2018
Kilian Jörg: Das Auto und die ökologische Katastrophe", Transcript Verlag 2024
Brian Ladd: Autophobia - Love and Hate in the Automotive Age, The University of Chicago Press 2008
Andreas Malm & the Zetkin Collective: White Skin, Black Fuel - On the Dangers of Fossil Fascism, Verso Books 2021
Michael Zinganel: Serpentine - A Touch of Heaven (and Hell), Eigenverlag


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https://www.transcript-verlag.de/author/kunze-conrad-320027461/

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