Sound Art: Zeit-Ton

Chinas Aufbruch zur Neuen Musik

Zeitgenössische Musik verstehen. Dietmar Hellmich erhellt zentrale und dezentrale Werke der Musikgeschichte

Dietmar Hellmich, Komponist und Musikwissenschaftler aus Wien, beleuchtet für "Soundart: Zeit-Ton" im Kamingespräch mit Rainer Elstner zentrale und dezentrale Werke der Musikgeschichte. Diesmal geht es um Chinas Aufbruch zur Neuen Musik.

Im späten 19. Jahrhundert initiierte China aufgrund eines Gefühls der Rückständigkeit gegenüber dem Westen im Opiumkrieg eine Modernisierungskampagne, die im musikalischen Bereich zunächst die Militärmusik (1885), dann das Schulwesen (1905) erreichte. Nach der politischen Revolution von 1911 war die Ablehnung des Feudalismus weiterer Antrieb, traditionelle chinesische Musik durch europäische Vorbilder zu ersetzen.

Aus westlicher Sicht interessanter als Nachahmungen oft historischer westlicher Musik ist eine "Neue Musik" Chinas, die die chinesische Tradition nicht leugnet. Liu Tianhua führte den Volksmusikstil in den Konzertsaal, Ma Sicong verarbeitete asiatische Melodien im Sinne einer gemäßigten Moderne. Um die Jahrhundertmitte wagte Sang Tong einen Vorstoß in die Atonalität, der dem Komponisten große Probleme verursachte. Während der Kulturrevolution wurde die Musikproduktion im wesentlichen auf propagandistische Modellwerke reduziert.

Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts wurde die chinesische Musik als Hoffnungsträger für die westliche Neue Musik entdeckt, da eine "interkulturelle" Positionierung neue Impulse versprach. Maßgeblich beteiligt war der ältere emigrierte Chou Wen-chung, der ab 1979 in China Seminare hielt, in denen er klassische chinesische Musik und Kalligraphie einer jungen chinesischen Generation näherbrachte, die zudem die zuvor verbotene moderne Musik Europas entdeckte. Zhou Long, Tan Dun und Chen Qigang fanden zu einer international geschätzten Neuen Musik, die alte chinesische Traditionen auf verblüffende Art neu interpretiert.

Sendereihe

Gestaltung

  • Dietmar Hellmich