ORF/JOSEPH SCHIMMER
Sound Art: Zeit-Ton
Chinas Aufbruch zur Neuen Musik
Zeitgenössische Musik verstehen. Dietmar Hellmich erhellt zentrale und dezentrale Werke der Musikgeschichte
7. Oktober 2024, 23:03
Dietmar Hellmich, Komponist und Musikwissenschaftler aus Wien, beleuchtet für "Soundart: Zeit-Ton" im Kamingespräch mit Rainer Elstner zentrale und dezentrale Werke der Musikgeschichte. Diesmal geht es um Chinas Aufbruch zur Neuen Musik.
Im späten 19. Jahrhundert initiierte China aufgrund eines Gefühls der Rückständigkeit gegenüber dem Westen im Opiumkrieg eine Modernisierungskampagne, die im musikalischen Bereich zunächst die Militärmusik (1885), dann das Schulwesen (1905) erreichte. Nach der politischen Revolution von 1911 war die Ablehnung des Feudalismus weiterer Antrieb, traditionelle chinesische Musik durch europäische Vorbilder zu ersetzen.
Aus westlicher Sicht interessanter als Nachahmungen oft historischer westlicher Musik ist eine "Neue Musik" Chinas, die die chinesische Tradition nicht leugnet. Liu Tianhua führte den Volksmusikstil in den Konzertsaal, Ma Sicong verarbeitete asiatische Melodien im Sinne einer gemäßigten Moderne. Um die Jahrhundertmitte wagte Sang Tong einen Vorstoß in die Atonalität, der dem Komponisten große Probleme verursachte. Während der Kulturrevolution wurde die Musikproduktion im wesentlichen auf propagandistische Modellwerke reduziert.
Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts wurde die chinesische Musik als Hoffnungsträger für die westliche Neue Musik entdeckt, da eine "interkulturelle" Positionierung neue Impulse versprach. Maßgeblich beteiligt war der ältere emigrierte Chou Wen-chung, der ab 1979 in China Seminare hielt, in denen er klassische chinesische Musik und Kalligraphie einer jungen chinesischen Generation näherbrachte, die zudem die zuvor verbotene moderne Musik Europas entdeckte. Zhou Long, Tan Dun und Chen Qigang fanden zu einer international geschätzten Neuen Musik, die alte chinesische Traditionen auf verblüffende Art neu interpretiert.
Sendereihe
Gestaltung
- Dietmar Hellmich
Playlist
Komponist/Komponistin: Huang Zi
Titel: Sixiang
Ausführende: Shi Yijie
Ausführende: Chen Sa
Länge: 01:50 min
Label: Shi Yijie
Komponist/Komponistin: Liu Tianhua
Titel: Du Xian Cao (Etüde auf einer Saite, 1932; 2006 Taipei Konzertmitschnitt)
Ausführende: Tsai Chen Yu (Erhu)
Länge: 02:22 min
Label: Manus
Komponist/Komponistin: Ma Sicong
Album: Ma Sicong: Music for Violin and Piano 1
Titel: Inner Mongolia Suite (1937), 2. Nostalgia
Ausführende: Hsiao-mei Ku (Violine)
Ausführende: Ning Lu (Klavier)
Länge: 01:10 min
Label: Naxos
Komponist/Komponistin: Sang Tong
Titel: In a Land Far, Far Away
Ausführende: Yu Meina (Klavier)
Länge: 02:22 min
Label: Exilarte
Komponist/Komponistin: Trad.
Album: Xiao Yueqin Yun
Titel: Yu Ge (Fischlied, südliche Song-Dynastie)
Ausführende: Li Feng
Länge: 01:38 min
Label: CT-991 Taipei
Komponist/Komponistin: Zhou Wenzhong
Album: Music of Chou Wen-Chung
Titel: The Willows are new (1957)
Ausführende: Chang Yi-an
Länge: 04:10 min
Label: Anthology of Recorded Music
Komponist/Komponistin: Zhou Long
Titel: Su (1984)
Album: Zhou Long, Chen Yi: Wild Grass
Ausführende: Wu Na (Guqin)
Ausführende: Nikola Atanasov (Flöte)
Länge: 02:29 min
Label: Naxos
Komponist/Komponistin: Tan Dun
Album: Tan Dun: On Taoism, Orchestral Theatre I, Death and Fire
Titel: On Taoism (1985)
Solist/Solistin: Tan Dun (Stimme)
Ausführende: BBC Scottish Symphony Orchestra
Leitung: Tan Dun
Länge: 04:02 min
Label: Koch/Schwann 1993/2001
Komponist/Komponistin: Trad.
Titel: Beiguan Musik-Album
Ausführende: Chiu Huo Jung (Suona)
Länge: 01:19 min
Label: National Center for Traditional Arts Taiwan
Komponist/Komponistin: Chen Qigang
Album: Gateways
Titel: Wu Xing (Fünf Elemente, 1999)
Ausführende: Shanghai Symphony Orchestra
Leitung: Long Yu
Länge: 02:01 min
Label: Deutsche Grammophon
Komponist/Komponistin: Chen Qigang
Album: Gateways
Titel: La Joie de la souffrance (2017)
Solist/Solistin: Maxim Vengerov (Violine)
Ausführende: Shanghai Symphony Orchestra
Leitung: Long Yu
Länge: 02:32 min
Label: Deutsche Grammophon