Pataphysiker:innen

18. Oktober 2024, 06:57

Als der Zen-Meister Dogen im Jänner 1253 starb, hatte er 22 Jahre lang an einer Schrift gearbeitet, aus der ich in der Vorrede meines Debüts "Entdecker. Eine Poetik" 2017 zitiere:

"Wenn die Erde abfällt, wenn Berge und Flüsse abfallen,
enthüllt sich alles von selbst als Sprache."
Und
"Ununterbrochen und überall werden Worte gesprochen
und gehört. Erst wer sprechen und hören kann, fasst das
ganze Universum wahrhaft in sich."
Und
"Es gibt kein Universum."

Eine der schönsten Traditionen der Pataphysik ist es, dass man Menschen auch post-mortem in die Vereinigungen aufnehmen kann - ja, dass diese sogar Ämter in diesen bekleiden dürfen, wenn man sie aus tiefster Seele als Mitstreiter auf dem Gebiet der Pataphysik erkennt. Marcel Duchamp, Max Ernst und Umberto Eco waren offizielle Pataphysiker, der Weltmaschinen-Erfinder Franz Gsellmann, die legendär untalentierte Sängerin Florence Foster-Jenkins und nahezu alle Religionsgründer unwissentliche.

Mit großer Ernsthaftigkeit unsinnige Tätigkeiten zu vollführen ist ein Weg, zur Pataphysiker:in zu werden, aber auch Leute, die auf ihrem Gebiet exzellent sind, können zu solchen werden, wenn sie sich unsinnig großen Aufgaben widmen, wofür Sisyphos oder unser aller Lieblingsei Humpty Dumpty die Säulenheiligen darstellen.

Pataphysiker:innen, das sind vor allem jene, die verstehen, dass Erkenntnis notwendigerweise paradox ist, oder dass, wie Nils Bohr berühmterweise sagte, zwar das Gegenteil einer richtigen Behauptung eine falsche Behauptung sei, das Gegenteil einer tiefen Wahrheit aber wiederum eine tiefe Wahrheit.

Service

Raphaela Edelbauer, "Entdecker: Eine Poetik", Klever Verlag 2017
Raphaela Edelbauer, "Das flüssige Land", Klett-Cotta 2019
Raphaela Edelbauer, "Dave", Klett-Cotta 2021
Raphaela Edelbauer, "Die Inkommensurablen", Klett-Cotta 2023
Raphaela Edelbauer, "Routinen des Vergessens". Klett-Cotta 2024

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler