Satan, der Verführer

7. November 2024, 06:57

Als 1667 John Miltons berühmtes Epos "Das verlorene Paradies" in England erschien, war sieben Jahre zuvor die Monarchie wieder installiert worden. "Das Epos hatte nicht nur Ungehorsam zum Thema, es praktizierte ihn selbst", meint Rolf Schönlau, der dieses umfangreiche Werk in seinem Buch "Paradies verloren" spannend nacherzählt und kommentiert.

Was für ein Held tritt hier vor den Vorhang: kein klassischer Held wie Odysseus oder Aeneas, nein: niemand geringerer als Satan macht hier eine glänzende Hauptfigur. Er zettelt im Himmel eine Revolte an und wird gestürzt, er organisiert die Scharen in der Hölle. Wie John Milton den Aufstand und die himmlischen und höllischen Heere beschreibt, ist faszinierend. Er setzt das Geschehen so lebendig in Szene, dass man meint, einen Film zu sehen. Als Zeitgenosse konnte man die Verse wohl kaum lesen, ohne dabei auch an die Revolte zu denken, die einige Jahre zuvor England erschüttert hatte. Der König wurde hingerichtet, eine Republik versucht.

Miltons Satan ist nicht allein der Bibel entstiegen oder diversen theologischen Überlegungen, er verdankt seine Ausgestaltung sicher auch Shakespeares üblen Gestalten - aber er ist jedenfalls auch einer, der sich aus Miltons Erfahrung in der Politik speist. Dieser Satan versteht sich auf Politik. Er weiß, wie man mit Worten zum Aufstand aufwiegelt, wie man einen Krieg anzettelt, sei es mit offenen, sei es mit versteckten Mitteln.

"Doch der Plan / Gehört beraten", sagt Satan, "Friede ist verpönt! / Wer wird an Unterwerfung denken?" Milton weiß diesen Satan darzustellen, vor allem in seiner Rede- und Überzeugungskunst. Dieser Satan ist Verführer, ein Meister der Rhetorik.

Service

John Milton, "Das verlorene Paradies", Reclam
"John Milton: Paradies verloren", erzählt, übersetzt, kommentiert von Rolf Schönlau. Friedenauer Presse 2024
Stephen Greenblatt, "Die Geschichte von Adam und Eva. Der mächtigste Mythos der Menschheit", Siedler 2018

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