Zwischenruf

Engagement, wenn es darauf ankommt

von Regina Polak, katholische Theologin und Religionssoziologin

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden in Deutschland und Österreich fast alle Synagogen zerstört. 30.000 Jüdinnen und Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt; unzählige misshandelt, verprügelt, beraubt und ermordet.

86 Jahre später meldet die Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde 808 antisemitische Vorfälle, allein im ersten Halbjahr 2024. Das ist eine Zunahme um fast 160 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr des Vorjahres. Am häufigsten waren dabei die Relativierung der Shoa und der israelbezogene Antisemitismus. Seit dem 7. Oktober 2023 leben jüdische Gemeinden unter dem Gefühl ständiger Bedrohung. Auch ich habe jüdische Bekannte, die ihre Kinder aus Angst vor Übergriffen nicht mehr in den Kindergarten oder in die Schule schicken. Viele Juden trauen sich im öffentlichen Raum keine Kippa mehr tragen, weil sie Angst vor Attacken haben.

Manchmal fühle ich mich angesichts dieser Entwicklungen ohnmächtig und frustriert. Was mir in solchen Momenten drohender Resignation hilft, ist der Blick auf all die mutigen Menschen in Österreich, die sich jetzt solidarisch für und mit der jüdischen Gemeinschaft engagieren und gegen Antisemitismus kämpfen - oft mit mehr Elan als je zuvor. Ich denke da vor allem an meine jüdischen, christlichen und muslimischen Freundinnen und Freunde, die trotz aller Spannungen den Dialog nicht aufgeben. Nicht immer machen sie sich damit Freunde.

Ich suche aber auch den Kontakt zu Organisationen, die im Kampf gegen Antisemitismus erfolgreiche Projekte und Programme entwickelt haben. Erinnern.at - ein Programm über Lehren und Lernen über die Shoa - unterstützt zum Beispiel Lehrerinnen und Lehrer durch Seminare und Lehrmaterialien in der Prävention von Antisemitismus und Rassismus, derzeit auch mit Unterlagen zur Situation im Nahen Osten. Der Österreichische Integrationsfond ermöglicht geflüchteten Menschen, sich im Rahmen seines Integrationsprogramms mit jüdischem Leben und jüdischer Geschichte in Österreich auseinanderzusetzen. Das Dialog- und Aufklärungsprojekt "Likrat" eröffnet Schülerinnen und Schülern, Organisationen und Unternehmen, das Judentum kennenzulernen. Auch der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit lädt immer wieder zu spannenden Veranstaltungen ein, bei denen man das Judentum besser verstehen lernen und mit Jüdinnen und Juden in Kontakt kommen kann.

Und wenn man möchte, findet man in Österreich noch viel mehr engagierte Menschen und Gruppen im Einsatz - jüdische und nicht-jüdische. Das Wissen um diese Menschen gibt mir Mut und Hoffnung. Es stärkt meine tiefe Überzeugung: Jüdinnen und Juden müssen in unserem Land in Frieden und Sicherheit leben können. Antisemitismus darf in Österreich keinen Platz haben. Dafür setze ich mich ein.

Service

Erinnern.at
Österreichischer Integrationsfonds
Likrat
Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach
Titel: Suite für Violoncello Nr.1 in G-Dur BWV 1007
* 2. Allemande - Courante (00:08:05)
Cellosuite
Solist/Solistin: Zvi Harell /Violoncello < J.A.Rocca, Turin 1856 >
Länge: 08:15 min
Label: Soundstarton 31106

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