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Radiogeschichten
"Enttäuschung" von Adelheid Duvanel. Es liest Pippa Galli.
14. November 2024, 11:05
Nachdem man sie ihrer prügelnden Mutter weggenommen hatte, lebte sie bei Tante Agnes, "deren Stimme wie ein Feuerchen geknistert hatte". Nach dem Tod der Tante wanderte sie von Heim zu Heim, wo sie sich fühlte "wie eines von fünfzig oder hundert Schaumkrönchen, die von den Leiterinnen umher- oder weggeblasen werden konnten". Jetzt zieht die jugendliche Ich-Erzählerin bei Onkel Raymond ein, einem großen, massigen Mann, der Schatten wirft, "als ob er Läden hinter sich geschlossen hätte" und dessen neue Frau Monika so ganz anders ist als Tante Agnes war. Einer der 21 Kurztexte aus der 1982 entstandenen Sammlung "Das Brillenmuseum" der Schweizer Meisterin der Verdichtung, die es mit ihren 2021 erschienenen sämtlichen Erzählungen und ihren kürzlich herausgekommenen Briefen zu entdecken gilt.
Adelheid Duvanel, geboren 1936 in der Nähe von Basel, machte eine Lehre als Textilzeichnerin und arbeitete u.a. als Journalistin. Von 1962-1981 war sie mit dem Maler Joseph Duvanel verheiratet, mit dem sie eine Tochter hatte. Bis auf ein Jahr auf Formentera lebte sie in Basel, wo sie 1996 starb. Ihre schriftstellerische Laufbahn begann sie unter dem Pseudonym Judith Januar in den Basler Nachrichten, in Anthologien und literarischen Zeitschriften. Ab 1980 erschienen ihre Erzählbände im Luchterhand Verlag. Später dann im Limmat Verlag, wo zuletzt auch ihre Briefe unter dem Titel "Nah bei dir. Briefe 1978-1996" herauskamen. Duvanel wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Großen Schillerpreis und dem Kranichsteiner Literaturpreis.
Service
Adelheid Duvanel, Fern von hier. Sämtliche Erzählungen. Limmat Verlag, Zürich 2021.