Begegnung mit der Rauchfangkehrerin

19. November 2024, 06:57

Wie viele Begegnungen habe ich im Laufe meines Lebens, ohne dass ich sie bemerke? Wie viele bleiben mir in Erinnerung? Begegnungen entziehen sich oft meiner Kontrolle. Ich ahne nicht, dass ich im nächsten Augenblick einer Person begegne, die mein Leben verändert oder die ich am liebsten nie wieder gesehen hätte.

Was macht eine Begegnung aus? Ist es bereits eine Begegnung, wenn ich anderen am Weg zur Arbeit in der U-Bahn gegenübersitze, wir uns oft gar nicht ansehen, sondern nur unsere ungefähren Konturen zur Kenntnis nehmen, bevor wir uns unseren inneren Selbstgesprächen und Handykommunikationen widmen? Und die U-Bahn verlassen, ohne voneinander Abschied zu nehmen.

Manche Begegnungen verleihen mir Flügel, wie sie mir ein Energydrink nie verleihen würde. Andere treffen mich wie der Blitz und manche erwecken den Wunsch in mir, augenblicklich vom Erdboden verschluckt zu werden. Immer wieder wird mir in einer kleinen Begegnung etwas viel Größeres zuteil, ein Omen, ein Glücksversprechen liegt oft im plötzlichen Erscheinen eines Menschen.

Wie in dem der Rauchfangkehrerin, die zwar auf einem kleinen, gelben Blatt angekündigt aber dann doch völlig überraschend morgens kurz vor halb acht vor unserer Tür steht. Entwaffnend lächelnd, unser Chaos freundlich übersehend, sicher schon so vieles gesehen habend, betritt sie in Schwarz und Weiß mit blau blitzenden Augen unseren Morgen und inspiziert unsere Therme. Erinnert sich sogar an unseren kleinen Stromboiler in der Küche (war sie denn schon einmal bei uns, wie konnte ich sie vergessen!) und wird plötzlich Teil unserer Familie, die sich in den nächsten Minuten schon wieder in alle Ecken dieser Stadt verstreuen wird.

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• Alexandra Mantler