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Punkt eins
Das Weltstrafgericht
Möglichkeiten und Grenzen des Internationalen Strafgerichtshofes in Zeiten von Krieg und Gewalt. Gast: Dr. Astrid Reisinger-Coracini, Juristin, Völkerrechtlerin, Lehrbeauftragte an der Universität Wien. Moderation: Andreas Obrecht. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
28. November 2024, 13:00
Umgangssprachlich wird der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) auch als Weltstrafgericht bezeichnet, denn er verfolgt und ahndet Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, das alle Staaten und deren Menschen betrifft.
Basierend auf dem Römischen Statut von 1998 als vertragliche Grundlage, nahm der IStGH seine Arbeit am 1. Juli 2002 im niederländischen Den Haag auf. Bislang haben 125 Staaten das Römische Statut ratifiziert, womit sich 60% der Staaten zur Verfolgung von Personen entschieden haben, die mit folgenden Taten in Verbindung gebracht werden: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und seit 2018 auch sogenannte Verbrechen der Aggression.
Anders als der Internationale Gerichtshof, verfolgt der IStGH keine Staaten, sondern Einzelpersonen, die entweder Staatsbürger eines Mitgliedslandes sind oder die Tat auf dem Territorium eines Mitgliedslandes möglicherweise begangen haben. Vier Staaten haben ihre Unterschrift unter dem Römischen Statut zurückgezogen und ihre Mitgliedschaft nicht ratifiziert - Russland, Sudan, Israel und die Vereinigten Staaten.
Nachdem der IStGH am 17. März 2023 einen Haftbefehl gegen Wladimir Putin wegen der Deportation ukrainischer Kinder nach Russland ausgesprochen hatte, verlautbarte vergangene Woche der Chefankläger, der britische Jurist Karim Khan, dass der IStGH Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seinen früheren Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen Aushungerung der Bevölkerung und Behinderung humanitärer Hilfe in Gaza erlassen hat. Auch gegen den militärischen Hamas-Führer Mohammed Deif wurde ein Haftbefehl erlassen, Deif soll jedoch von der israelischen Armee bereits getötet worden sein, was bislang von der Hamas nicht bestätigt wurde.
Es war eine Entscheidung, die höchste diplomatische Wellen schlug - von fehlender Zuständigkeit bis hin zu politisch motivierten Ermittlungen lauten die Vorwürfe, wobei andererseits von internationalen Fachleuten betont wird, wie wichtig ein neutrales Rechtsfindungsinstrument in Angelegenheiten des humanitären Völkerrechts ist. Zumindest für die meisten Staaten sind die Entscheidungen des IStGH verbindlich. Die gemeinsame Erklärung der Außenminister der G7-Staaten vom Dienstag dieser Woche lautet: "Wir bekräftigen unser Bekenntnis zum humanitären Völkerrecht und werden unseren jeweiligen Verpflichtungen nachkommen".
Dr. Astrid Reisinger-Coracini, Juristin, Völkerrechtlerin, Lehrbeauftragte an der Universität Wien unternimmt als Gast bei Andreas Obrecht in Punkt eins eine juristische Einordnung des Weltstrafgerichtes, ohne politisch zu werten. Was kann, was soll, was darf der IStGH? Worin besteht die Grundintention des Römischen Statuts und wie kann man sich laufende Verfahren vorstellen? Wie werden die Richter bestellt und welche Rolle hat der sogenannte Chefankläger? Was hat es mit möglichen Sanktionen gegen Bedienstete des IStGH auf sich? Welche juristischen Maßnahmen sind vorgesehen, damit der IStGH eben nicht zum Spielball unterschiedlichster politischer Interessen wird?
Wie immer freut sich die Punkt eins Redaktion über rege Teilnahme an dem Gespräch, unter 0800 22 69 79 während der Sendung oder unter punkteins(at)orf.at
Sendereihe
Gestaltung
- Andreas Obrecht