Die Donau und ihr Wasserhahn

8. Jänner 2025, 06:57

Vielleicht besitzen manche Menschen in einer ihrer Herzkammern ein Areal, das für Donauangelegenheiten reserviert ist, dachte ich, als ich an der Quelle in Furtwangen einer Frau zusah, die wieder und wieder das Bachbett abschritt, ehe sie sich bückte und schnell einen Stein in ihrer Hosentasche verschwinden ließ. Danach starrte sie wieder auf das Wasser.

Ich musste an Claudio Magris denken, an eine Geschichte, die der Frau bestimmt das Herz gebrochen hätte: dass die Breg und somit die Donau in Wahrheit nicht dieser Quelle entspringe, sondern einem Wasserhahn in einem Haus ein paar Meter den Hügel hinauf.

Mehr als die Überprüfung dieser Hypothese habe ihren Urheber wohl der Gedanke interessiert, welche Folgen es hätte, würde jemand den Hahn schließen. Man stelle sich vor, jemand käme und drehte die Donau ab. Wien, Bratislava, Budapest, Belgrad ausgetrocknet, Millionen Fische, die unablässig ihre Münder bewegen, aber kein Wort davon erzählen können, was sie gesehen haben, das ganze Archiv eines Flusses, ein Bett voll uralter Objekte und Gebeine, und nicht zuletzt die große Frage: Was geschieht dort, wenn hier etwas passiert? Eine Frage, die so allein nicht stehen bleiben kann, denn die Donau fließt zwar von West nach Ost, aber sie wird mit ihrer umgekehrten Kilometrierung in beide Richtungen gedacht.

"Die Dinge um uns sind immer da", schrieb die Fotografin Inge Morath über die Donau, "aber wir müssen sie entdecken: diesen Baum in diesem Licht, diese Landschaft von diesem Hügel, die Hand mit dem Stück Papier, das ihr so wichtig ist, diese Donau und ihre Menschen mit ihren Leiden, Freuden und Kämpfen, verstrickt in den Konsequenzen ihrer Geschichte. Die Augen weit offen zu halten ist vielleicht eine Weise, vieles, das uns als entfernt und überholt erscheint, als lebendige Gegenwart zu erfahren."

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