katsey
Gedanken für den Tag
Einen Anfang nehmen
Die Schriftstellerin Anna Weidenholzer über einen einzigartigen Fluss und seine verbindenden Momente.
9. Jänner 2025, 06:57
Manche Anfänge sind klar, andere sind es weniger. Der Disput, wo genau die Donau beginnt, währt lange und wird vermutlich nie restlos geklärt werden, auch wenn beide Städte, Furtwangen und Donaueschingen, nun den Zusatz Donauquellstadt tragen dürfen.
Mitte der 1990er Jahre hielt die Fotografin Inge Morath die Quelle in Donaueschingen so fest, wie sie sich heute noch zeigt: das Wasser prächtig grün, am Grund funkeln Münzen gleich einem leuchtenden Versprechen auf später.
Ganz anders das Versprechen, das Morath an der Quelle in Furtwangen ablichtete: Zwei akkurat gefaltete Blätter Papier, von einer alten Frau in die Kamera gehalten, zwei Zettel, die bezeugen sollen, dass mit den Quellen unterhalb ihres Hauses der große europäische Strom beginnt. Gut möglich, dass die Frau kurz zuvor Holz gehackt hat, sie trägt ein Kopftuch, darüber einen Schal, über den sie eine dicke Wollmütze gezogen hat, in der ein Holzspan steckt. Das Funkeln der Münzen oder eine alte Frau mit auffällig viel Kopfbedeckung. Müsste ich mich für einen Anfang entscheiden, wäre klar, dass meine Donau in Furtwangen beginnt.
Genauso nimmt sie ihren Anfang aber in Linz, auf der einen Seite Wohnhäuser aus den 1970er Jahren, auf der anderen Seite eine Wiese mit Kunstwerken aus Metall. Dort, wo wir zu Schulzeiten wieder und wieder auf eine Skulptur kletterten, die wir Weltkugel nannten, und davon sprachen, irgendwann doch ein Floß zu bauen oder ein Schlauchboot zu nehmen und wegzufahren, vielleicht sogar ans Meer. Bis irgendjemand jedes Mal sagte: Geht nicht, die Schleusen, wir kommen nicht durch.
An der schönen blauen Donau, 2135 Kilometer bis zum Meer. Blau ist die Donau in Linz nie gewesen, aber weitergeflossen ist sie immerzu, zu anderen Menschen, Möglichkeitsräumen. Auch deswegen höre ich in ihr mehr Béla Bartók als Johann Strauss.
Service
Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Bela Bartok 1881 - 1945
Gesamttitel: 44 DUOS FÜR 2 VIOLINEN Sz 98
Titel: Nr.23 Brautlied
Solist/Solistin: Sandor Vegh
Solist/Solistin: Alberto Lysy
Länge: 01:27 min
Label: Astree Auvidis E 7720 / Extraplatte