Radiokolleg
Lechts und rinks - Das Comeback der Querfront (4)
Kritik der Zinskritik
20. Februar 2025, 09:30
Die Kritik am Zins, etwa durch Theologen des Mittelalters, ist so alt wie das Finanzwesen selbst. Seit der Wirtschaftstheoretiker Silvio Gesell, dem Anarchismus nahe stehend, seine Kritik am Zinssystem auch im zwanzigsten Jahrhundert formulierte, gilt Zinskritik als irgendwie "fortschrittlich". Zu Unrecht, denn sie greift zu kurz. Immer wieder kommen in der Zinskritik auch antisemitische Stereotype zum Ausdruck - in den Schriften des nationalsozialistischen Wirtschaftstheoretiker Gottfried Feder zum Beispiel, der zwischen "schaffendem", also deutschem, und "raffendem", also jüdischem Kapital unterschied.
"In der Zinskritiker-Szene von heute sehe ich einen Aufstand der Zukurzgekommenen", erklärt der Berliner Zeithistoriker Wolfgang Benz. "Das sind in der Regel kleinliche und ängstliche Leute, die sich aus der ungeheuren Komplexität des Wirtschaftsgeschehens einen einzigen Punkt herausgreifen und daran ihre ganze Weltsicht aufhängen." Für Wolfgang Benz ist die Zinskritik aufs erste Hinsehen "links", in Wirklichkeit aber oft - oder so gut wie immer - ein Einfallstor für rechtsextreme Verschwörungsideologien.
Querfront-Aktivisten wie der neurechte Autor Andreas Popp nützen das aus. "Mit unserem heutigen Geldsystem haben die Mächtigen Idealbedingungen geschaffen, das einfache globalisierte Volk in perverser Form in die Massenarmut zu führen", schreibt Popp in seinem Buch "Das Matrix-Syndrom". Klingt einleuchtend, kann eine kritisch-seriöse Analyse des modernen Finanzkapitalismus aber nicht ersetzen.