Himmelloch und Jesulein

21. Februar 2025, 06:57

Darf man von Puppen sprechen, wenn Figuren kultisch genutzt werden? Im Mittelalter wurde es üblich, am Karfreitag in das Heilige Grab, das es in zahlreichen Kirchen gab, eine Skulptur in Form des Leichnams Jesu zu legen. Ihr Herausnehmen in der Osternacht symbolisierte Christi Auferstehung. Man stelle sich als Kontext vor: Dunkelheit, dann Kerzen, Weihrauch, Gesang.

Kurios mutet eine spätgotische Christusfigur (heute: im Salzburger Dommuseum) an, deren Arme schwenkbar sind. Mit ausgebreiteten Armen hing dieser Christus am Kreuz. Am Karfreitag aber wurde er vom Kreuz abgenommen, seine Arme abgeklappt und der Leichnam mit den an den Körper angelegten Armen in das Heilige Grab gesenkt.

In manchen Kärntner Kirchen wird zu Christi Himmelfahrt auch heute noch eine geschnitzte Christusfigur durch ein Loch im Kirchengewölbe, durch das sogenannte "Himmelloch", in den Dachboden gezogen. Solche Performances waren und sind nicht auf den Kircheninnenraum beschränkt. Am Palmsonntag gibt es mancherorts nach wie vor den Brauch, dass Christus auf dem Palmesel durch den Ort "reitet". Die entsprechende Skulptur - Esel samt reitendem Christus - wird getragen oder sie ist auf Rädern montiert und wird gezogen.

Bei der frühgotischen Christus-Palmeselgruppe der Pfarrkirche St. Nikola in Hall (Tirol) wurde früher der hohle Innenraum des Esels mit Broten gefüllt, die während der Prozession - zum Gaudium der Bevölkerung - herausfielen.

Für kleine Puppen in Form des Jesuskindes gab es im Spätmittelalter kleine Puppenbettchen. Vor allem Nonnen konnten durch das Herausnehmen des Jesuleins aus dem Bettchen, durch das Halten und Kosen des Püppchens ihre mystisch-liebevolle Liebesbeziehung zu Christus intensivieren - und ihren Kinderwunsch sublimieren.

Service

Podcast abonnieren

Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler