Sinnlosigkeit aushalten

25. Februar 2025, 06:57

Unsinn und Sinnlosigkeit sind nicht dasselbe. Aber sie haben denselben Gegenspieler. Nämlich einen Sinn, der vorschnell daherkommt und alle Fragen überfrachtet. Deswegen möchte ich, bevor ich zu unsinnigen Praktiken weiterschreite, zunächst einmal nach dem Sinn der Sinnlosigkeit fragen.

Und dabei hilft mir die Bibel. An biblischen Texten lässt sich nämlich beides ablesen: Dass es wichtig sein kann, Sinnlosigkeit auszuhalten. Und wie schwer das manchmal ist. Nehmen wir als Beispiel Jesus am Kreuz, wie er bei Markus, Matthäus, Lukas und Johannes unterschiedlich gedeutet wird. Jesus spricht da ganz unterschiedliche letzte Worte.

Während Markus und Matthäus Jesu Leben mit dem Schrei der Gottverlassenheit enden lassen - "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen" - hält das späteste Evangelium, das nach Johannes, die Sinnlosigkeit schon nicht mehr aus. Hier ergibt Jesu Ende schon im Moment des Todes Sinn: Tetelestai - so schreibt Johannes dieses letzte Wort Jesu auf. Die, die es hörten, hörten Unterschiedliches. "Es ist vorbei", hörten die, die Jesu Lebensweg kritisch beäugt hatten und ihn für einen Spinner hielten. "Es ist vollbracht", hörten die, die daran glaubten, hier stirbt Gottes Sohn. Markus und Matthäus halten die Sinnlosigkeit des Todes aus und bei Johannes bekommt jeder seinen Sinn. Sinn für alle!

So können wir aus der Geschichte der Bibel und ihrer Entstehung beides lernen: Wie wichtig es ist, Sinnlosigkeit auszuhalten, weil es menschlicher sein kann als ein Erschlagen Werden von Sinn. Wie schwer es aber auch ist, Sinnlosigkeit auszuhalten, sodass schon der Autor des Johannesevangeliums es nicht schafft, sondern schon seinen eigenen Bericht von der Kreuzigung auf sofort verstehbaren Sinn trimmt.

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