Diagonal
Vorwärts in die Vergangenheit. Diagonal über Retrotopia.
Schließen Sie die Augen. Verwerfen Sie jegliche Utopie, denn der moderne Mensch glaubt nicht mehr an Utopien. Glauben Sie an das, was für Sie das Schönste ist (war)! Zögern Sie nicht, es darf gewöhnlich sein. Alles ist erlaubt im Zauberland Retrotopia. Anschl.: Diagonals Feiner Musiksalon
15. März 2025, 17:05
Wünschen Sie ihn herbei, den heimeligen Küchentisch? Hier löffeln rotwangige Kinder ihre Cornflakes, der Vater, bereits im Büroanzug, blättert in der Zeitung, und die Mutter streicht um sie alle herum, mit Schürze und sanfter Miene. Wenn ihr Mann ins Auto steigt, reicht sie ihm Aktentasche und Jausenbrot.
Es war einmal - eine Zeit, in der die Zeit noch nicht so schnell verging. Man konnte sich nach getaner Arbeit treffen, zum Dorfplausch, daheim dampfte die Suppe schon. Man hatte eine Anstellung, ein Fernsehgerät und ein Sparbuch. Den Kindern würde es einmal besser gehen. Die Welt stand nicht Kopf, die Grenzzäune hatten keine Seitentüren.
500 Jahre, nachdem Thomas Morus von "Utopia" träumte, einem Paradies von Staat, würden sich viele Menschen an "Retrotopia" klammern, schreibt der polnisch-britische Soziologe Zygmunt Bauman in seinem gleichnamigen Buch, das 2017, im Jahr seines Todes, erschienen ist. Retrotopia - das seien keine Visionen, die sich, wie ihre Vorläufer, "aus einer noch ausstehenden und deshalb inexistenten Zukunft speisen, sondern aus der verlorenen/geraubten/verwaisten, jedenfalls untoten Vergangenheit". Ein Ort der Stärke, Stabilität und "Normalität" lasse sich nicht finden in der globalisierten Welt, man imaginiere "die gute alte Zeit". Make the past great again.
Also dann, auf in die Vergangenheit! Oder doch zurück in die Zukunft?
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Gestaltung
- Andrea Hauer