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Punkt eins
Türkei: Opposition im Gefängnis
Politiker, Demonstrierende und Journalist:innen im Fadenkreuz von Erdogans Justiz? Gast: Dr. Cengiz Günay, Direktor, Österreichisches Institut für internationale Politik (oiip). Moderation: Xaver Forthuber. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
31. März 2025, 13:00
Die Festnahme und Absetzung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu durch die türkischen Behörden vor eineinhalb Wochen sieht ganz wie eine politische Inhaftierung aus. Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan spricht von Korruptionsvorwürfen, die von den unabhängigen Gerichten geklärt werden würden. Aber Istanbul ist eine Hochburg der stärksten Oppositionspartei CHP und Imamoglu, der die Anklagepunkte zurückweist, gilt als einer ihrer beliebtesten Politiker und als chancenreicher Präsidentschaftskandidat in einem möglichen Rennen gegen Erdogan. Am Freitag dürfte auch einer seiner Anwälte verhaftet worden sein.
Wer nun gegen das Vorgehen der Regierung protestiert, wie das zehntausende Türk:innen seit über einer Woche tun, riskiert seine Freiheit. Die anhaltenden Massenproteste großteils friedlicher Demonstrant:innen wurden von Erdogan als "Bewegung der Gewalt" bezeichnet. Nach Regierungsangaben wurden bisher mindestens 260 Menschen verhaftet und mehr als 1.800 Personen vorübergehend festgenommen - darunter auch Journalist:innen. Einige davon kamen inzwischen wieder frei. Regelmäßig kommt es zu heftigen Zusammenstößen mit der Polizei, die unter anderem Wasserwerfer und Reizgas einsetzt. Amnesty International spricht von "willkürlichem und unnötigem Gewalteinsatz" durch die Sicherheitskräfte. Die Regierung hat ein Versammlungsverbot verhängt, und die staatliche Rundfunkaufsicht entzog dem oppositionellen Fernsehkanal Sözcü TV vorübergehend die Sendelizenz. Dennoch hat die Opposition für das Wochenende wieder zu einer Großkundgebung aufgerufen.
Kritik an den Vorgängen kam auch aus dem Ausland. Mindestens ein internationaler Journalist wurde ausgewiesen und ein weiterer festgenommen, weil sie über die Proteste berichtet hatten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ließ am Donnerstag durchklingen, dass geplante Gespräche über eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Türkei noch abgesagt werden könnten. Der türkische Justizminister Yilmaz Tunc bezeichnete dies postwendend als "Doppelmoral". Die Türkei ist auch Teil der EU-geführten "Koalition der Willigen", die letzte Woche erneut über mögliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine beraten haben, nachdem die USA sich als Partner zunehmend aus dem Spiel nehmen.
Agieren die türkische Justiz, Bürokratie und Polizei als Instrumente in den Händen Erdogans, um seine Macht abzusichern? Oder wird die türkische Bevölkerung ihren Rechtsstaat von der Regierung zurückerobern können? Cengiz Günay, Politikwissenschafter und Direktor des Österreichischen Instituts für internationale Politik (oiip) in Wien, spricht mit Xaver Forthuber und mit Ihnen: Rufen Sie in der Sendung an unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at
Sendereihe
Gestaltung
- Xaver Forthuber