Ö1 Hörspiel
Über alleinerziehende Mütter
"Die Don Quijotinnen oder Was kostet die Kindheit?" von Ulrike Müller
Drei alleinerziehenden Müttern wird im Rahmen einer kafkaesken Gerichtsverhandlung der Prozess gemacht. Die Verhandlung ist fiktiv, aber die Aussagen der Angeklagten basieren auf Interviews und realen Biografien.
12. April 2025, 14:00
Wenn der Erziehungsauftrag und die Lohnarbeit um die gleichen zeitlichen Ressourcen konkurrieren, entsteht bei alleinerziehenden Personen häufig ein Gefühl des Ungenügens: sowohl den Kindern als auch dem Job gegenüber. Alleinerziehende Familien sind stärker von Armut bedroht als jeder andere Haushaltstyp: Im Jahr 2024 lag in Deutschland ihre Armutsgefährdungsquote bei 41 Prozent. Das bedeutet in der Konsequenz, dass Kinder von Alleinerziehenden auch in ihrer langfristigen Lebensplanung deutlich benachteiligt sind.
Da unsere Gesellschaft Lohnarbeit und Sorgearbeit überwiegend anhand des Modells der Kernfamilie organisiert, geraten Alleinerziehende in eine Art Zwickmühle zwischen Erziehung und Job. Ihr Gefühl des Ungenügens ist also als Hinweis auf ein gesellschaftliches Problem zu verstehen. Gleichzeitig muss dieses gesellschaftliche Problem von Alleinerziehenden tagtäglich individuell gelöst werden. Die Anordnung des Hörspiels überspitzt diese Privatisierung eines gesellschaftlichen Missstands und nutzt dafür die Form einer fiktiven Gerichtsverhandlung. In einer erbarmungslosen, juristischen Sprache werden Alleinerziehende angeklagt, weil sie ihre "Pflichten für Wirtschaft und Erziehung" nicht erfüllen würden. Diese pointierte Darstellung legt die Schmerzpunkte des Diskurses offen.
Wie bereits in den Hörspielen "Das Projekt bin Ich" und "Lieber Nicolas Berggruen" hat die Autorin Ulrike Müller zunächst zahlreiche Interviews mit Betroffenen geführt. Aus diesem dokumentarisch-biografischem Material haben die Schauspieler:innen in einem zweiten Schritt ihre Texte entwickelt.
Mit Franziska Kleinert, Martina Hesse, Claudia Lietz, Alexander Schröder, Jean-Luc Caputo, Annedore Bauer, Silke Lehmann, Cornelia Just, Maike Coelle, Jan Lehmann, Julia Schulz und Andrea Jank, Musik: Andreas Stobernack und Ayako Matuschka, Ton und Technik: Kaspar Wollheim und Katrin Witt, Regie: Ulrike Müller (RBB 2021)