Thomas Mann am Plattenspieler in seinem Haus in München

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Radiokolleg

Thomas Mann und die Musik (3)

Dr. Faustus am Pazifik

Mitten im 1. Weltkrieg hatte Thomas Mann fünf Aufführungen von Pfitzners "Palaestrina" nacheinander besucht. Überwältigt notierte er in seinem Tagebuch. "Ich konnte mich der Tränen nicht erwehren - mit seiner metaphysischen Stimmung, seiner Vereinigung von Musik, Pessimismus und Humor kommt es meinen tiefsten Bedürfnissen entgegen." Als Mann im Februar 1933 den Vortrag "Leiden und Größe Richard Wagners" hält, wird er nicht von den auf dem Sprung zur Macht befindlichen Nationalsozialisten angefeindet, in einem offenen Brief schließen sich auch Pfitzner, Richard Strauß und Hans Knappertsbusch dem "Protest" an. Thomas Manns verlässt Deutschland, 1935 trifft er in Salzburg noch einmal Bruno Walter, während seiner Emigration über die Schweiz in die USA unterhält er regen Kontakt mit Bela Bartok, Rudolf Serkin, Toscanini und Adolf Busch.
Richard Wagner beschäftigt Thomas Mann lebenslänglich, so auch in seinem Hauptwerk, der Roman-Tetralogie "Joseph und seine Brüder" (1933/1943), die mehrfach als orientalischer Gegenentwurf zum Nibelungen-Mythos bezeichnet wurde.
Als einen Gegenentwurf zur deutschen Geistesgeschichte "von Luther bis Hitler" und als sein "letzte Werk" verstand Thomas Mann seinen Roman "Doktor Faustus. Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von einem Freunde". Darin wird indirekt auch Manns persönliche Musikgeschichte aufgerollt, die von Beethoven über Hugo Wolf und Stravinsky bis zu Arnold Schönberg reicht. Über Adrian Leverkühns letztes Werk "Dr. Fausti Weheklag" heißt es in direktem Zitat des Mann-Beraters T. W. Adorno: Es handle sich um eine Kompositionstechnik, die "keine Note zulässt, der nicht in der Gesamtkonstruktion seine motivische Funktion erfüllt (.) es gibt keine freie Note mehr." Die Idee einer befreiten Menschheit, wie sie einem Beethoven vorgeschwebt haben mochte, wird angesichts der Katastrophe des 2. Weltkriegs und des Holocaust auch musikalisch zurückgewiesen.
Es wäre nicht Wien, stünde nicht am Ende ein Strauß-Walzer. Als Mann Ende April 1945 in einer Wochenschau Bilder von der Befreiung Wiens durch die Rote Armee sieht, verleiht er im Tagebuch seiner Verwunderung Ausdruck, dass russische Soldaten gerade am Grab von Johann Strauß einen Kranz niederlegen. "Warum gerade Strauß??"

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