Frau mit Taschenrechner und Arbeitsblättern

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Punkt eins

Längeres Arbeiten für alle?

Konzepte, Chancen, Stolpersteine. Gäste: Dr. Christine Mayrhuber, Ökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), Vorsitzende der Alterssicherungskommission & Dr. Lukas Lehner, Ökonom, Assistenzprofessor an der Universität Edinburgh. Moderation: Andreas Obrecht. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Die durchschnittliche Lebenserwartung in Österreich ist kontinuierlich gestiegen und beträgt heute für Frauen 84,2 und für Männer 79,4 Jahre, wobei es starke schichtspezifische Unterschiede gibt: 2023 hatte ein 35-jähriger Akademiker die Aussicht um 6,9 Jahre länger zu leben als ein Gleichaltriger mit Pflichtschulabschluss, bei den Frauen betrug diese Kluft immerhin noch 4,6 Jahre. Die Erwartungen und Ausgangslagen sind ebenso unterschiedlich wie die Konzepte, die ein längeres Arbeiten für alle verwirklichen wollen. Dass eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit für alle dringlich ansteht, darüber herrscht kaum noch Zweifel, denn es hat sich nicht nur die Lebensdauer signifikant erhöht, sondern auch der jährliche Anteil der aus Budgetmitteln zu den Pensionen zugeschossen werden muss. Nahezu ein Viertel beträgt dieser mittlerweile, für eine Volkswirtschaft, die sich im dritten Jahr einer Rezession befindet, eine erhebliche Belastung.

Die Koalitionsregierung hat nun die "größte Pensionsreform seit 20 Jahren" angekündigt, 770 Millionen Euro soll 2026 und 2027 das neue Modell kosten, um viel mehr ältere Menschen als bisher in Beschäftigung zu bringen oder zu halten, und letztlich dadurch Milliarden einzusparen. Kein anderes Vorhaben der Regierung wird mehr kosten. Die Meinungen unter Fachleuten über die Effektivität der geplanten Maßnahmen gehen weit auseinander. Neben einer Verschärfung der Korridorpension, sollen vor allem folgende Maßnahmen einen Anreiz für längeres Arbeiten bieten: Einführung einer Flat Tax von 25%, wobei nur Einkommen, die zusätzlich zur Pension generiert werden, steuerpflichtig sind; Befreiung von Sozialversicherungsbeiträgen, Dienstgeberentlastung bei Pensions- und Krankenversicherung. Zudem soll eine Teilzeitpension ermöglicht werden, in der zu 25, 50 oder 75 % Rente bezogen und der Rest noch gearbeitet wird. Das Modell baut somit auf Freiwilligkeit und auf monetären Anreizen auf, die längeres Arbeiten finanziell attraktiver machen. Aber werden damit auch Menschen jenseits jener Gruppen erreicht, die schon heute - zumeist als Selbstständige - länger arbeiten, etwa Ärzte oder Anwältinnen? Wie müssen altersgerechte Arbeitsplätze beschaffen sein, damit dieses Angebot überhaupt wahrgenommen werden kann? Durch welche Maßnahmen kann das hohe Arbeitslosigkeitsrisiko bei älteren Beschäftigten gesenkt werden? Handelt es sich dabei nicht auch um ein Mentalitätsproblem, weil bei uns gerne "so früh wie möglich" in Pension gegangen wird?

Grundsätzlich arbeiten wir heute länger als noch vor 30 Jahren - es sind 60% der zwischen 55- und 64-Jährigen, wohingegen es in Deutschland oder der Schweiz 80% sind. Die schrittweise Angleichung des Pensionsantrittsalters für Frauen wird 2033 abgeschlossen sein, aber die Altersquote - also der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung - wird weiter steigen, bis 2050 auf 52%. Der Ruf nach einer generellen Anhebung des Pensionsantrittsalters wird deshalb auch bei uns immer lauter. Unlängst hat Dänemark das Antrittsalter für staatliche Pensionen auf 70 Jahre angehoben. Das hat - obwohl das dänische Pensionssystem mit einem sehr hohen Anteil an Betriebspensionen nicht direkt mit dem österreichischen verglichen werden kann - auch hierzulande neue Diskussionen entfacht. Ist die automatische Angleichung des Pensionsantrittsalters, wie von politischer Seite zuweilen gefordert, der bessere Weg?

Die Ökonomin Christine Mayrhuber forscht zu Fragen der Einkommensentwicklung, zur Struktur und Finanzierung der Pensionsversicherung, zu Umverteilungswirkungen sozialstaatlicher Strukturen und ist Vorsitzende der Alterssicherungskommission, die sich das Ziel setzt, die langfristige Finanzierung der Alterssicherungssysteme zu überwachen.

Lukas Lehner ist ebenfalls Wirtschaftswissenschaftler mit dem Forschungsschwerpunkt Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie Arbeitsmarkt. Er lehrt derzeit als Assistenzprofessor an der Universität Edinburgh. Christine Mayrhuber und Lukas Lehner sind Gäste bei Andreas Obrecht.

Ist Arbeit im Alter eine wirtschaftliche Notwendigkeit, und wenn ja - warum? Warum liegt die Beschäftigungsquote älterer Menschen in Österreich unter dem EU-Durchschnitt? In welcher Weise betreffen Diskriminierung und Vorurteile am Arbeitsplatz ältere Arbeitnehmende? Überwindet Österreich die Rezession, wenn die Beschäftigungsquote älterer Menschen steigt? Sollten Betriebe entlastet werden - etwa durch Senkung der Sozialabgaben - wenn sie mehr ältere Arbeitnehmer beschäftigen?

Wie immer freut sich die Redaktion über Ihre Teilnahme an dem Gespräch unter 0800 22 69 79 während der Sendung oder unter punkteins(at)orf.at

Sendereihe

Gestaltung

  • Andreas Obrecht