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Gedanken für den Tag
Frantz Fanon über den Krieg
Brigitte Schwens-Harrant, Literaturwissenschaftlerin, Buchautorin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "Die Furche", zum 100. Geburtstag von Frantz Fanon
22. Juli 2025, 06:57
Ende 1939, Anfang 1940 trifft eine französische Kriegsflotte auf Martinique ein. Frantz Fanon ist 14 Jahre alt. Die Truppen sind dem mit den Deutschen kollaborierenden Vichy-Regime ergeben. Fanon aber will gegen Rassismus und Nationalsozialismus kämpfen. 1943 setzt er sich nach Dominica ab. Während er dort eine militärische Ausbildung erhält, stürzt Martinique den Admiral und ein neues Bataillon bildet sich, dem sich Fanon anschließen wird.
Im Jänner 1945 kämpft er mit anderen jungen Männern von den Antillen im "Kessel von Colmar". "Vor einem Jahr habe ich Fort-de-France verlassen", schreibt er verzweifelt in einem Brief an seine Eltern: "Warum? Um ein überholtes Ideal zu verteidigen (.). Ich zweifle an allem, sogar an mir selbst. Falls ich nicht zurückkehren sollte, falls Ihr eines Tages von meinem Tod im Angesicht des Feindes erfahrt, tröstet Euch, doch sagt nie: er ist für die gute Sache gestorben (.). Ich habe mich geirrt! Nichts hier, nichts rechtfertigt diese plötzliche Entscheidung, mich zum Verteidiger der Interessen des Hausherrn zu machen, wenn er selbst darauf pfeift."
Warum ist Fanon so verzweifelt? Er hat sich den Truppen angeschlossen, um gegen den Nationalsozialismus zu kämpfen und damit gegen eine rassistische und mörderische Herrenmenschen-Ideologie. Doch zu seinem Entsetzen muss er just in jenen Truppen, in denen zig Freiwillige aus den Kolonien kämpfen, ethnische Diskriminierung erleben.
In diesem Brief sieht seine Biografin Alice Cherki einen Zug, der Fanons kurzes Leben begleiten wird, nämlich "dieses ständige Schwanken zwischen der Enttäuschung über die Menschen und dem unaufhörlichen Glauben an sie, ja der Liebe zu ihnen, zwischen dem Misstrauen gegenüber den Politikern und dem letztendlichen Engagement, zwischen dem ,Nein'-Sagen, dem, was man heute Aufruf zum zivilen Ungehorsam nennen würde, und der Suche nach einem ,Ja' als Bindeglied".
Service
Frantz Fanon, "Schwarze Haut, weiße Masken", Turia + Kant
Frantz Fanon, "Aspekte der Algerischen Revolution. Die Verdammten dieser Erde", Verlag Suhrkamp
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Cecile Chaminade 1857 - 1944
Album: KLAVIERKOMPOSITIONEN VON CECILE CHAMINADE
Titel: Danse creole für Klavier op.94
* Allegretto
Solist/Solistin: Eric Parkin
Länge: 02:14 min
Label: Chandos CHAN 8888