
STEINBRENER/DEMPF & HUBER
Intermezzo - Künstlerinnen und Künstler im Gespräch
Steinbrener/Dempf&Huber: "Tötet Canaletto!"
"Bildende Kunst und gesellschaftliche Debatten gehören zusammen" - die Künstlergruppe Steinbrener/Dempf & Huber zu Gast bei Anna Soucek.
31. August 2025, 11:44
Den Canaletto-Blick, also jene berühmte und häufig zitierte Ansicht auf die Wiener Altstadt vom Oberen Belvedere aus, sezieren die Künstler Steinbrener/Dempf&Huber in ihrer Ausstellung "Tötet Canaletto!" - und zwar wörtlich. Kopien des Gemäldes werden aufgeschlitzt und mit Störelementen, etwa Knochen aus einem historischen Anatomie-Buch, versehen. "Der titelgebende Aufruf ist dabei als bildkritisches Statement zu verstehen - nicht als Zerstörung, sondern als notwendige Dekonstruktion eines überlebten Stadtbildes", so die Künstlergruppe, die sich in vielen ihrer Arbeiten mit den Auswirkungen von Massentourismus auf Stadt und Landschaft beschäftigt.
Neben Canaletto-Dioramen und -Collagen sind in der Galerie rauminhalt_harald bichler in der Wiener Schleifmühlgasse bis 4. Oktober 2025 auch Skulpturen mit präparierten Tieren zu sehen: Die Natur, wie wir sie sehen und ausstellen wollen, prallt zusammen mit zivilisatorischen Artefakten, etwa wenn ein Papagei sich in einem USB-Kabelsalat verheddert oder das Bein eines Kranichs ein hölzernes Baugerüst stützt.
Mit ihrer ersten Aktion im öffentlichen Raum gelang der Gruppe 2005 ein Paukenschlag: Im Zuge von "Delete" wurde die gesamte Neubaugasse für zwei Wochen entschriftet, also sämtliche Werbetafeln, Geschäftsschilder, Firmennamen etc. überklebt. Die sonst an Zeichen überladene Geschäftsstraße wurde visuell zum Schweigen gebracht.
Seither haben Rainer Dempf, Martin Huber und Christoph Steinbrener eine Reihe größerer Projekte im öffentlichen Raum umgesetzt, etwa "Themroc" auf der Fassade eines Gemeindebaus gegenüber vom Schwedenplatz oder zuletzt "Moko Jumbie", auf Lebensgröße aufgeblasene Modellbaufiguren, die den umgestalteten Franz-Josefs-Bahnhof erklimmen. Besonders aufsehenerregend bis verstörend war "Cliffhanger": Auf einem unerreichbaren Felsen über dem Mirafall in den Ötschergräben installierten sie eine Touristen-Info, ein Kommentar zur unerbittlichen Eroberung der Landschaft durch den Fremdenverkehr.
Im Intermezzo bei Anna Soucek sprechen Martin Huber und Christoph Steinbrener über die Funktion von Kunst in der Gesellschaft und über ihre Erfahrungen mit dem kollektiven Arbeitsprozess. Und sie rufen zu Wachsamkeit auf: Städte dürfen nicht zu Potemkischen Dörfern verkommen, die dem touristischen Blick entsprechen, aber für Einwohner:innen nicht mehr lebenswert und leistbar sind.
Service
Steinbrener/Dempf & Huber
Die Ausstellung "Tötet Canaletto!" wird am 2.9. eröffnet und ist bis 4.10.2025 in der Galerie rauminhalt_harald bichler zu sehen.
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Gestaltung
- Anna Soucek