Tschechoslowakische Touristen vor der Tschechischen Botschaft in Wien, 24. August 1968

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Radiokolleg

Chronologie der Flucht nach Österreich (2)

Flucht im Schatten des Eisernen Vorhangs

Anfang der 1960er-Jahre werden in der Tschechoslowakei Forderungen nach politischen Reformen laut und leiten unter der Führung von Alexander Dubcek, Erster Sekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, eine Phase vorsichtiger Liberalisierung ein. Doch der "Prager Frühling" wird durch den Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts in der Nacht auf den 21. August 1968 gewaltsam beendet. Die Reaktion der österreichischen Bundesregierung ist zunächst von Zurückhaltung geprägt. Im Spannungsfeld des Kalten Krieges sieht sich Österreich der Neutralität verpflichtet, betont jedoch auch asylrechtliche und humanitäre Pflichten. Anträge von Einreisevisa nehmen zu - und werden von dem damaligen österreichischen Botschafter in Prag, Rudolf Kirschschläger, gewährt. Entgegen der Weisung aus Wien, die Anträge auszusetzen. In den ersten Tagen nach der militärischen Intervention reisen zehntausende tschechoslowakische Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt des Einmarschs im Ausland aufhalten, nach Österreich - und warten hier die Entwicklung der Lage ab. Die Situation stellt ein neues Szenario für die österreichische Asylpraxis dar: ein temporäres Verweilen mit offenem Ausgang. Nur ein Teil der Betroffenen bleibt schließlich dauerhaft im Land. Auch in den Folgejahren bleibt Österreich mit kleineren Fluchtbewegungen konfrontiert - etwa nach dem Fall Südvietnams oder der Revolution im Iran. Mit der Verhängung des Kriegsrechts in Polen 1981 steigt die Zahl der Asylsuchenden und Migrationswilligen sprunghaft an. Österreich bemüht sich erneut um enge Zusammenarbeit mit der Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen (UNHCR). Doch international wird der Status polnischer Geflüchteter zunehmend in Frage gestellt - sie gelten oftmals nicht mehr als politische Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention. Österreich hingegen hält anfänglich an einem humanitär motivierten Aufnahmemodus fest.

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  • Barbara Volfing