Raucht steigt im Gazastreifen auf

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Punkt eins

Perspektiven für ein Ende des Gaza-Kriegs?

Den Eskalationen eines "existenziellen Konflikts" begegnen. Gast: Dr. Muriel Asseburg, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

"Es ist sehr gefährlich. Die Hamas versteckt sich innerhalb der Bevölkerung. Sie lässt sie nicht gehen und benutzt sie als menschliche Schutzschilde", sagt der ehemalige Brigade-Kommandeur Hezi Nehama in einem Interview der ARD zur geplanten Einnahme von Gaza-Stadt. "Das ist doch alles verrückt. Ich denke, es ist ein Fehler." Auch die israelische Armeeführung soll sich wiederholt gegen den Einsatz ausgesprochen haben, doch Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu ließ in der Nacht auf Dienstag die Bodenoffensive in Gaza-Stadt beginnen, wie Medien berichten. Immer wieder betont Netanjahu, der Krieg werde enden, wenn die Hamas vernichtet sei.

"Im Idealfall, in einer perfekten Welt, würde man dies durch ein diplomatisches Abkommen erreichen", sagte vor Kurzem US-Außenminister Marco Rubio dem Sender Fox News; wenn alle Geiseln ausgehändigt würden, die Hamas ihre Waffen niederlege und sich auflöse, würde der Krieg enden. "Wenn es also nicht auf diese Weise endet, dann muss es durch einen militärischen Einsatz beendet werden". US-Präsident Donald Trump richtete jüngst eine "letzte Warnung" an die Hamas.

Auf einem Sondergipfel in Katar riefen unterdessen gut 60 arabische und islamische Staaten zu einem Waffenembargo gegen Israel auf, nachdem Israel vor einer Woche die Führungsspitze der Hamas in Doha angegriffen hatte. Die UNO-Vollversammlung stimmte am Freitag mehrheitlich für eine Resolution, die das Ende der Herrschaft der islamistischen Terrororganisation Hamas im Gazastreifen fordert und auf "handfeste, zeitlich begrenzte und unumkehrbare Schritte" zu einer Zweistaatenlösung pocht. 142 Länder unterstützten das Papier, unter anderem Deutschland und Österreich, zehn stimmten dagegen, unter anderem die USA und Israel, 12 enthielten sich der Stimme. Für 22. September kündigten Frankreich, Großbritannien und Kanada an, bei einer Konferenz im Vorfeld der UN-Generaldebatte einen "Staat Palästina" anerkennen zu wollen. Beobachterinnen und Analysten sehen die Weltgemeinschaft an einem Scheidepunkt.

Vor über 30 Jahren machten die Osloer Abkommen Hoffnung auf Frieden im Nahen Osten und er schien möglich, erinnert sich die Politikwissenschafterin und Nahostexpertin Muriel Asseburg, die seit 1991 zu den Konflikten und politischen Ordnungen im Nahen Osten forscht. Der israelisch-palästinensische Friedensprozess wurde jedoch torpediert, scheiterte, war nicht mehr Priorität. Gegenwärtig scheint eine Konfliktlösung weiter entfernt denn je.

Bald jährt sich das Massaker der Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen in Israel getötet, mehr als 250 als Geiseln verschleppt und über 5.000 Menschen verletzt wurden, zum zweiten Mal. Und damit auch der Beginn des Kriegs Israels gegen die Hamas im Gaza-Streifen als Reaktion auf das Massaker mit seinen katastrophalen Folgen für die palästinensische Zivilbevölkerung. Der Konflikt hat sich inzwischen ausgeweitet, die Konfliktparteien sind zahlreich, die Zeichen stehen gegenwärtig weiter auf Eskalation.

"Der Weg aus der Gewalt wird zusätzlich dadurch erschwert, dass sowohl die israelische als auch die palästinensische Gesellschaft schwer traumatisiert sind", schreibt Muriel Asseburg in ihrem jüngsten Buch zum Nahost-Konflikt "Der 7. Oktober und der Krieg in Gaza" (C.H. Beck Verlag), in dem sie Hintergründe, Eskalation und Folgen mit Blick auf das erste Kriegsjahr analysiert. Sie spricht von einem "existenziellen Konflikt, in dem beide Seiten das ganze Territorium beanspruchen und die legitimen Ansprüche der anderen Seite nicht mehr akzeptieren."

Als Gast bei Barbara Zeithammer in Punkt eins wirft Muriel Asseburg einige Schlaglichter auf den komplexen Konflikt und die zahlreichen Herausforderungen, die eine Deeskalation erschweren. Was sind die Perspektiven für ein Ende des Gaza-Kriegs? Ist eine Zweistaatenlösung noch realistisch und welche Alternativen könnte es geben, welche Vermittler braucht es, um den Eskalationen zu begegnen?

Wie immer sind unserer Hörerinnen und Hörer sehr herzlich eingeladen, sich konstruktiv an der Diskussion zu beteiligen. Sie erreichen uns kostenfrei aus ganz Österreich live während der Sendung unter 0800 22 69 79 oder jederzeit per E-Mail an punkteins(at)orf.at

Service

Bücher:

Muriel Asseburg: Der 7. Oktober und der Krieg in Gaza. Hintergrund, Eskalation, Folgen. C.H. Beck Verlag 2025

Omer Bartov: Genozid, Holocaust und Israel-Palästina. Geschichte im Selbstzeugnis. Aus dem Englischen von Anselm Bühling. Suhrkamp 2025

Muriel Asseburg, Jan Busse: Der Nahostkonflikt. Geschichte, Positionen, Perspektiven.
C.H. Beck Verlag, Ausgabe 2024

Sendereihe

Gestaltung

  • Barbara Zeithammer