
APA/ANDREAS PESSENLEHNER
Diagonal
Zur Person Marina Abramovic - die unerbittliche Schmerzensfrau der Performance.
Die inzwischen 78-jährige Künstlerin Marina Abramovic ist eine der wichtigsten zeitgenössischen Künstlerinnen. Sie gilt als Begründerin der modernen Performance und hat mit ihren legendären Auftritten Kunstgeschichte geschrieben. Aktuell ist ihr in der Wiener ALBERTINA modern eine Ausstellung gewidmet. Anschl.: Diagonals Feiner Musiksalon
27. September 2025, 17:05
Wer 1997 auf der Biennale in Venedig war, dem jagt der Gedanke an dieses Bild und diesen Ton noch heute die Gänsehaut über den Körper. Da sitzt Marina Abramovic im finsteren Keller inmitten eines Knochenberges, schabt mit einer scharfen Klinge stinkende Fleischreste von einem Rinderknochen und singt dazu Partisanenlieder aus ihrer Kindheit.
Für "Balkan Baroque", ihre Reaktion auf den Jugoslawienkrieg, bekam die 1946 in Belgrad geborene Künstlerin dann auch den Goldenen Löwen. Eine von vielen Auszeichnungen - eine von vielen Ausstellungen an den wichtigsten Kunstorten der Welt.
Marina Abramovic hat Hochkonjunktur, ihre Biografie verwandelte Theaterikone Bob Wilson in ein Theaterstück, die Performance erlebt eine Renaissance. Ab Anfang Oktober widmet ihr die Albertina Modern in Wien, gestaltet vom Team des Kunstforum Wien eine ausführliche Retrospektive mit der neuerlichen Inszenierung ihrer wichtigsten Performances.
Abramovics Kunst geht unter die Haut - die der Künstlerin, die des Publikums. Sie nimmt den Schmerz bei ihren Performances nicht in Kauf, sie sucht ihn. Sie ritzt sich den roten Stern ihrer kommunistischen Jugend in die Bauchdecke, sitzt mehr als 700 Stunden bewegungslos auf einem Sessel im MOMA, oder liegt nackt auf Eisblöcken oder in einem brennenden Ring. Sie trennt sich von ihrem langjährigen Lebenspartner Ulay, indem sich die beiden 90 Tage lang aufeinander zu bewegten, wobei das Treffen am Ende den endgültigen Abschied bedeutete. "Bei lebendigem Leib" setzt sich die inzwischen 78-jährige der Gewalt dieser Gesellschaft, den Zumutungen dieses Lebens aus. Voll Pathos, Leidenschaft und traumhaft/albtraumhaft schönen Bildern, in die sie ihren - oft nackten - Körper immer wieder zwingt. Intensiv bis heute.
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- Ines Mitterer